[Anm. d. Red:] Trigger Warnung: Sexualisierte Gewalt
“Ich bin noch nicht bereit“, „Ich will heute keinen Sex“, „Nein“, „Bitte“. Das waren die letzten Sätze die ich vor meinem ersten Mal gesagt habe. Und es ist trotzdem passiert.
Ich höre oft von Leuten, dass sie sich an ihr erstes Mal kaum noch erinnern. Und dass es ja nie so läuft wie man es sich vorstellt. Doch ich erinnere mich an jedes Detail, an jede Sekunde, die sich wie Stunden angefühlt haben. Und ja, es ist nicht so gelaufen wie ich es mir vorgestellt habe. Denn ich habe mir nie vorgestellt, dass mein erstes Mal eine Vergewaltigung ist.
Zu dem Zeitpunkt wollte ich es so nicht nennen. Ich wollte es zwar nicht und ich konnte mich danach weder ansehen noch anfassen, aber er war damals mein Freund und ich dachte, er würde mich lieben. „Dein Partner kann dich doch gar nicht vergewaltigen, das ist ja was anderes“, habe ich mir gedacht. Ich wollte es nicht benennen, weil ich es nicht zugeben wollte. Ich wollte es nicht wahrhaben.
Die Gesellschaft sagt einem, dass man in einer Beziehung Sex haben muss. Die Gesellschaft sagt, dass es immer fremde Menschen sind, die dir etwas antun können. Die Gesellschaft sagt, dass das erste Mal nie gut ausgeht. Die Gesellschaft sagt nicht, dass Sex gegen deinen Willen mit jemanden der behauptet, er würde dich lieben, Vergewaltigung ist.
Ich habe mich damals jemandem anvertraut. Vielleicht wollte ich, dass jemand mir sagt, was passiert ist. Doch nie hat mir jemand gesagt, dass es nicht meine Schuld war, niemand hat gesagt, das mein „nein“ zählt und ausreicht, nie hat mir jemand gesagt, dass es ist nicht okay war. Denn er wollte mir doch nichts antun.
Erst einige Zeit später habe ich realisiert, dass es nicht um die Absichten geht. Sondern darum was letztendlich tatsächlich passiert ist. Es geht um mein „Nein!“
Es ist egal, wer dir weh tut. Ob die Person jemand ist, dem*der du vertraust, den*die du liebst, der*die dich liebt oder ein* Fremde*r. Es ist egal wo ihr seid, was ihr davor gemacht habt und was du an hast. Es ist egal welche Absichten du oder jemand anders hatte oder nicht hatte. Es ist egal was du oder dieser Mensch unter Sex versteht. Es ist egal wie weit es geht. Es ist egal als welches Geschlecht du dich identifizierst und welches Geschlecht du im Moment hast. Es ist egal wen du liebst und wen nicht. Es ist egal als welches Geschlecht der*die, der*die dir weh tut, sich identifiziert. Es ist egal welchen Namen dieser Mensch trägt.
Wenn etwas gegen deinen Willen passiert, dann ist das schlichtweg nicht in Ordnung.
Ich hätte damals gerne eine Person gehabt, die mir das alles gesagt hätte. Jemanden, der mir sagt, dass das Passierte schlimm ist und dass es verständlich ist, wie ich mich fühle. Ich will dass ihr wisst, ihr seid nicht alleine. Dass „Nein“ auch Nein heißt. Dass ihr nichts falsches gemacht habt und es nicht euer Fehler ist. Und dass Liebe anders aussieht.
Ich weiß, es ist schwer das alles zu glauben und es ist schwer zu reagieren oder auch erstmal herauszufinden, wie man reagieren möchte. Aber macht die Augen nicht zu.
Wenn du ein offenes, professionelles Ohr brauchst, hier ein paar Links:
www.hilfetelefon.de
Das Hilfetelefon ist ein Beratungsangobot für Frauen* bundesweit. Jeden Tag, 24h erreichbar. Ob online oder telefonisch: 08000 116 016. Egal ob du Gewalt, in jeglicher Form, erlebst, erlebt hast oder was davon mit bekommst.
www.hilfeportal-missbrauch.de
Das Hilfeportal informiert Mädchen* und Jungen*, Erwachsene, Eltern, beste Freund*innen, Betroffene und Angehörige wie man Unterstützung bekommt oder leistet. Man kann auch Beratungsstellen, Notdienste, Therapeut*innen sowie Flüchtlingsberatungsstellen aus der eigenen Region finden.
www.weisser-ring.de
Bietet „Opferhilfe“ in über 400 Außenstellen. Beratungsangebot telefonisch, online oder vor Ort.
www.frauen-gegen-gewalt.de/zahlen-und-fakten
Zahlen und Fakten zu Gewalt gegen Frauen.
Ein Artikel von Honorata Bystronska
Titelbild mit freundlicher Genehmigung von Helena Köster
Kommentar verfassen