Asexualität im Alltag
Ich bin eine junge, asexuelle, queere, cis-Woman of Color. In diesem Artikel werde ich jedoch nur über mein ace-sein sprechen. Über Aromantik und Aro-Sein werde ich wenig sprechen, da ich damit wenig Erfahrung habe.
Mit Asexualität hat man ein ziemlich „gutes Passing“ in der Gesellschaft, was jedoch nicht unbedingt etwas Gutes ist. Ich muss vielleicht nicht mit Anfeindungen auf der Straße aufgrund meiner sexuellen Orientierung rechnen, einfach weil viele nicht mal wissen, dass Asexualität existiert, aber das führt wiederum dazu, dass Aromantik und Asexualität aus vielen Diskursen über Diversität entfallen. Genauso gibt es wenig Repräsentation von asexuellen und aromantischen Charakteren in den Medien.
Neulich war ich bei einem Treffen mit meinem ehemaligen Jahrgang aus der Fachoberschule. Nach ein paar Bier wurden Partyspiele wie „Wahrheit oder Pflicht“ oder „Ich hab‘ noch nie …“ ausgepackt. Fast alle Fragen, die nichts mit Geschlechtsverkehr zu tun hatten, wurden von den meisten für zu langweilig empfunden und so ging es viel um Sex. Meine Antworten waren aber auch ziemlich öde, z.B.: „Ich hatte halt noch keinen Sex.“
Diese Aussage war für die meisten ziemlich unverständlich, „da man in meinem Alter schon mal Sex gehabt haben sollte“, wie viele meinen. Die meisten Gespräche verlaufen so. Es geht immer darum, dass „nur noch nicht der Richtige kam“, ich „es einfach mal versuchen müsste“ oder, dass ich „mir das ausgesucht habe“.
Asexualität ist nicht das Gleiche wie Enthaltsamkeit
Ich habe keinen Sex, weil es mich nicht interessiert und ich es sogar „ekelhaft“ finde. Das ist nur meine Ausprägung von Asexualität. Andere asexuelle Menschen haben vielleicht sogar Sex, empfinden es aber nicht als etwas, was man unbedingt braucht. [1]
Lange habe ich gedacht, dass meine Asexualität „unnormal“ sei. Nicht nur durch oben genannten Aussagen, sondern auch durch die Art, wie generell mit dem Thema Sex umgegangen wird. In den Medien wird oft sexualisiert. In der Pop-Musik geht es beispielsweise zu gefühlt 99% um Sex, Liebe oder Beziehungen, was an sich auch nicht schlimm ist, aber wie wäre es mal mit Liedern über Freundschaft? Freundschaften sind etwas sehr Schönes und geben vielen Menschen weltweit täglich Halt. An Absurdität kommt auch noch obendrauf: Es ist ziemlich verpönt über Geschlechtsverkehr in der Öffentlichkeit zu sprechen. Lieder in denen es um schmutzigen Sex geht, werden aber im Radio gespielt und mitgesungen (ja, ich gucke dich an, Despacito).
Asexualität in Serien? Quasi nicht existent
In Filmen oder Serien gibt es so gut wie keine ace oder aro Charaktere, es gibt kaum Repräsentation. Vermutlich ein Grund dafür, wieso Asxualität so unbekannt ist. Die einzigen Charaktere, die mir einfallen sind Raphael aus Shadowhunters (Serie) / Chroniken der Unterwelt (Buchreihe), und Jughead aus Riverdale (Serie) / den Archie-Comics.
Die Darstellung von Raphaels Asexualität ist gelungen, denn obwohl er nicht explizit das Wort „asexuell“ in den Mund nimmt, wird durch die Aussage, dass er nicht an Sex interessiert ist und auch nie war, sehr deutlich, dass Raphael ace ist. Auch die Autorin der Bücher bestätigte dies.[2]
Bei Jughead ist die fehlende Repräsentation das Problem. Obwohl es in den Archie-Comics offiziell ist, dass Jughead asexuell ist, wird es in der Serie Riverdale, die auf den Archie-Comic basiert, nicht erwähnt und scheinbar sogar verändert. Er hat in der Serie öfters Geschlechtsverkehr und es scheint ihn nicht sonderlich zu stören. Natürlich kann eigentlich nur Jughead selbst (oder die Schreiber*innen der Serie) das beurteilen und wir wissen auch nicht, was noch kommen könnte in zukünftigen Staffeln.
Was ist eigentlich das große Ding an Sex?
Das ist sehr schade, denn damit gibt es nicht nur weniger Repräsentation, es wird auch ohne ersichtlichen Grund etwas geändert, was dadurch zur ace-erasure beiträgt. Als asexueller Mensch stößt man sehr oft auf Unverständnis. Ja, wir sind vielleicht nicht für Sex zu haben, aber auch andere Fragen bei „Wahrheit oder Pflicht“ können lustig sein, nicht nur Fragen zum Thema Geschlechtsverkehr.
Generell verstehe ich persönlich irgendwie nicht, was das große Ding an Sex ist. Ich meine, es ist halt Fortpflanzung und so… Und scheinbar finden die meisten Menschen es ja auch schön. Das ist ok, solange es auch ok ist, wenn ich keinen Sex haben möchte.
Respect aces und aros!
Tschüss, meine friends 🙂

Ein Artikel von Marie-Jaqueline Stahnke
Autorinnenbild mit freundlicher Genehmigung von Marie-Jaqueline Stahnke / © Amelie Sachs
Titelbild © .divers
Hallo Marie-Jaqueline, danke für deine Art, die Welt zu beobachten, eigene Schlussfolgerungen für dein Leben zu ziehen und darüber zu berichten. Wer der inneren Stimme folgt, ist immer gut beraten! Alle guten Wünsche, Susanne
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