Selbstermächtigung³

„Futur Drei“ des Kollektivs ‚Jünglinge‘ feierte gerade seine Premiere auf der Berlinale. Der Film erzählt von Queerness und (post-)migrantischer Identität in Deutschland.

Es ist Sommer, Morgengrauen. Nach einer langen Partynacht liegen drei junge Menschen erschöpft auf einem Parkdeck und lassen blaue und gelbe Gummischlangen in ihre Münder pendeln.

Der Film „Futur Drei“ des Filmkollektivs ‚Jünglinge‘ ist eine Geschichte über die Wünsche, Probleme und Sehnsüchte dieser drei Freund*innen. Parvis (Benjamin Radjaipour) ist queer, cool und Kind von iranischen Eltern. Er lebt mit seiner Familie im deutschen Kaff und vertreibt sich die Zeit mit Partys und Affären. Im Wohnheim für Geflüchtete, wo er seine Sozialstunden abarbeiten muss, lernt er Amon (Eidin Jalali) und seine ältere Schwester Bana (Banafshe Hourmazdi) kennen, die aus dem Iran geflohen sind. Die beiden jungen Männer kommen sich bald näher und verlieben sich.

Viele Sequenzen in „Futur Drei“ sind in einer bunten Musikvideo-Atmosphäre gehalten und sind gespickt mit popkulturellen Referenzen, die Nineties-Kids auf Wolke 7 schweben lassen. Gleichzeitig lassen Regisseur Faraz Shariat und Paulina Lorenz, die das Drehbuch mitschrieb, ihre Protagonist*innen immer wieder komplexe Konflikte austragen. Die Drei suchen nach einer Identität zwischen den Kulturen, sie sind mit Stereotypisierungen und einer Gesellschaft konfrontiert, die sie wieder und wieder diskriminiert. „Woher kommst du eigentlich?“, bleibt da noch einer der harmloseren Sprüche, die die Beiläufigkeit, mit der Alltagsrassismus geschieht, aufzeigen. Diese Momente brechen aber auch immer wieder Schubladen-Denken auf und sind oft lehrreich, zum Beispiel wenn klar wird, dass man in einer schwulen Community natürlich nicht vor Rassismus gefeit ist. Der Film weist immer wieder auf Diskriminierungsstrukturen hin und die Dualität von Täter und Opfer konsequent zurück.

Amon (l.) und Parvis (r.)

Nicht in banale Reproduktionen zu verfallen, ist eine große Stärke von „Futur Drei“ und liegt sicherlich zum Großteil daran, dass der Film autofiktional ist. Shariat hat vieles seiner eigenen Biografie einfließen lassen, was man der authentischen Porträtierung der Figuren und der Aufrichtigkeit, mit der sie erzählt werden, anmerkt. Seine eigenen Eltern spielen sogar mit und konnten so ihre eigenen Erfahrungen ausdrücken. Klischees werden links liegen gelassen und es gibt stattdessen viele utopische Momente, aus einer eigenen und selbstermächtigenden Perspektive heraus.

Raquel Molt, die für „Futur Drei“ das Casting übernahm, suchte für den Film explizit nach PoCs und auch Menschen mit Fluchterfahrung. Es ist ein Film nicht nur über sie, sondern mit ihnen und auch für sie. Im Film sind nur wenige weiße Menschen zu sehen und sie tauchen nur auf, wenn es um ihre Privilegien geht. So ist der weiße Körper in „Futur Drei“ nicht wie sonst die neutrale, unhinterfragte Norm, sondern es werden PoCs zur Norm und Normalität. In der Struktur des Filmemacher*innen-Kollektivs ‚Jünglinge‘ zeichnet sich genau wie im Film ein utopischer Gedanke ab: Ganz bewusst haben sie bei den Dreharbeiten versucht, Macht- und Wissenshierarchien abzubauen und zeigen, dass es sehr wohl möglich ist, auf diese Weise einen guten Film zu produzieren. Das gegenseitige Vertrauen und die familiäre Atmosphäre drückt sich so dann auch direkt im Film aus und erzählt eine alternative Geschichte, die Hoffnung macht. „Futur Drei“ wird voraussichtlich am 28. Mai in die Kinos kommen. Schaut ihn euch an, er ist es wert!

Eine Kritik von Jule Waizenegger

FOTOS: EDITION SALZGEBER/JÜNGLINGE FILM

4 Kommentare zu „Selbstermächtigung³

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  1. … So ist der weiße Körper in „Futur Drei“ nicht wie sonst die neutrale, unhinterfragte Norm…

    Wie das umgesetzt wurde, interessiert mich sehr- Überhaupt hört es sich nach einem wichtigen Film an! Danke also für den Tipp, auf jeden Fall werde ich mir „Futur Drei“ ansehen! 😊

    VVN

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  2. (Manchmal ist es ohnehin spannend. Gerade heute Morgen hatte ich mich zum Thema „Alltagsrassismus“ schriftlich und detailreich ausgekotzt – nur wenige Stunden später kam diese Filmrezension. Da hatte ich kurz ein gutes Gefühl- 😇)

    VVN

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