Stellungnahme der Autorin zum Begriff „Frau“
In meinen Texten geht es um Frauenfeindlichkeit in unserer Gesellschaft, weshalb ich auch von Frauen reden möchte. Dieser Begriff bezeichnet auch ohne Sternchen sämtliche Menschen, die sich als Frauen identifizieren, unabhängig ihrer Geschlechtsorgane.
Den Erfahrungen von Menschen, die sich nicht als Frauen identifizieren, aber auch aufgrund ihrer Geschlechtsidentität diskriminiert werden, können meine Texte nicht gerecht werden. Sie erzählen von den Erfahrungen, die im Allgemeinen alle Personen machen, die sich als Frauen identifizieren und/ oder in der Öffentlichkeit als weiblich gelesen werden; sowie den gesellschaftlichen Normen, die diesen Personen aufgrund der Geschlechtsidentität „Frau“ aufgezwungen werden.
Sie ist die einzige Frau an deiner Seite
Und du sagst du liebst sie sehr
Du schaust nie mehr
zurück; denn sie ist jetzt
dein ganzes Glück
Und doch spürst du nicht, wie sie nach einiger Zeit
Ein Stück von dir abrückt
Sich zurückzieht, vor deiner Präsenz flieht
Du siehst nie, was sie sieht
Sondern das, was du sehen willst
So wie ihren nackten Körper
Du stillst dein Verlangen
Daran, doch wird das langen?
Muss sie sich nicht immer fragen: bin ich genug?
Oder ist die Wahrheit dieser Beziehung nicht einfach ein Betrug?
Denn du nahmst sie zur Frau wegen ihrer Schönheit,
doch auch viele andere schöne Frauen sind nicht weit
Und so lässt du sie immer öfter
Allein
Und sie ist verzweifelt, denn sie weiß nicht wie das geht: nur mit sich selbst zu sein
Ein Innenleben hat sie sich nie gegeben, denn sie wurde erzogen, auf äußere Werte zu
streben
Sie selbst sah in sich immer nur ein schönes Gesicht, mehr nicht,
was in ihrem Köpfchen vorging, war weder ihr noch dir je besonders wichtig
Sie redete immer sehr manierlich und hübsch, doch du merktest bald;
ihre Worte sind ohne viel Inhalt
Das störte nicht, nein im Gegenteil, es betörte dich
Hier war ein wunderschönes Wesen, dass mit großen Augen lauschte und dir mit
Engelsstimme zustimmte, ein sorgloses Püppchen, das keine schlechte Nachricht auf der
Welt verstimmte, weil sie darauf vertraute, dass andere für sie sorgen, ihr Papa war es
heute, vielleicht bist du es schon morgen.
Und so ging sie also auch in dein Leben ein, als schöne Hülle
Ohne viel Fülle
Nun hast du sie aber wirklich verlassen,
und sie will dich dafür wirklich hassen, aber mit Erstaunen merkt sie,
wie egal es ihr ist, weil du ihr doch nichts gibst
Weder ihren Kopf noch ihren Körper je stimulierst
weil du die Wichtigkeit davon ignorierst, weil du ihre Existenz als eigenständiger Mensch
negierst
Weil du zuhause kein Ebenbürtiger bist, sondern wie ein König regierst
Also beginnt sie sich zu wehren
Sich eine eigene Meinung zu bilden,
aufzuhören, ihre wilden
Gedanken zu zähmen
Ihr ist es nunmehr egal, ob diese die Männer vergrämen
Du bist schockiert und fühlst dich vor deinen Freunden blamiert
Du erkennst es nicht wieder, dieses Wesen, dass dir laut
Widerworte gibt und dir dabei mit hartem Blick in die Augen schaut
Die einst so engelsgleichen Augen, sie erscheinen dir jetzt kalt wie Eis
Und du bist erstaunt, was sie alles weiß, hättest nicht gedacht, dass das geht, das jemand
wie sie, nämlich eine Sie, sowas überhaupt versteht
Und jetzt steht sie wahrhaftig da, und lehnt sich auf,
denn sie lehnt es ab, immerzu nur an deiner Rechten zu sitzen, will sich stattdessen mit
eigenen Rechten ausgestattet wissen.
Ihr streitet, und du denkst, du kannst sie bezwingen, ihre Rebellion niederringen,
doch bald merkst du, mein lieber Herr, diesen Kampf kannst du unmöglich gewinnen
und schon bald zieht sie fort, an einen viel schöneren Ort
Schau, sie hat jetzt selbst dort
eine Frau
Und das einzige, was sie mehr liebt, als ihr hübsches Gesicht,
ist die schöne Psyche, die dahinter liegt.
Teil 2 einer dreiteiligen Poetry Slam-Text-Reihe von Lily Sabath
Teil 1 findet ihr hier.
Titelbild mit freundlicher Genehmigung von Maja Wilker
Instagram: @majawilkerfotografie