„Druck“ – das ist der Titel der deutschen Adaption der erfolgreichen norwegischen Webserie „Skam“, in der es um die Lebensrealität(en) einer Gruppe Berliner Jugendlicher geht: Freundschaft, Liebe, Chillen, Party machen – und nebenbei die Oberstufe auf die Reihe kriegen. Nostalgie ist praktisch vorprogrammiert, selbst wenn man (wie ich) erst vor zwei Jahren Abitur gemacht hat.
Von funk, dem Content-Netzwerk von ARD und ZDF, ins Leben gerufen, wurde die Serie von März 2018 bis September 2019 auf YouTube veröffentlicht. Sie umfasst bisher vier Staffeln, deren Hauptperson jeweils eine andere ist. In der ersten Staffel steht die liebenswürdige Hanna (Lilly Dreesen) im Mittelpunkt, die nicht weiß, ob ihre Beziehung mit Jonas (Anselm Bresgott) wirklich das Richtige für sie ist und seine Loyalität infrage stellt. Die zweite Staffel widmet sich der Feministin Mia (Milena Tscharnke), die mit dem neureichen Alexander (Chris Veres) aneinandergerät, der ihrer Meinung nach keinen guten Einfluss auf ihre Freundin Kiki (Leanora Zoë Voss) hat. In der dritten Staffel dreht sich alles um den immer etwas verschlafen wirkenden Matteo (Michelangelo Fortuzzi), dessen Mutter psychische Probleme hat und der einen ständigen inneren Kampf mit seiner sexuellen Orientierung führt. Und nicht zuletzt die vierte Staffel, in der es um die streng gläubige Muslima Amira (Tua El-Fawwal) geht, deren Prinzipien plötzlich durcheinander geraten, als sie Mohammed (Hassan Kello) kennenlernt. Eine fünfte Staffel wurde für Sommer 2020 angekündigt:
Druck herrscht überall
Ähnlich wie bei „Skam“ ist ein wesentliches Motiv der Serie der Druck, den Jugendliche und junge Erwachsene heutzutage von allen Seiten zu spüren bekommen. Ob Leistungsdruck in der Schule oder Uni, der Druck, bestimmte gesellschaftliche Erwartungen zu erfüllen oder der altbekannte „peer pressure“: Druck herrscht überall und ist insbesondere im Prozess der Selbstfindung und des Erwachsenwerdens ein ständiger Begleiter. Zwar spielen die sozialen Medien dabei eine nicht unerhebliche Rolle, vor allem was körperbezogene Themen wie „Bodyshaming“ angeht. Allerdings kommt dieser Aspekt in der Serie nur indirekt vor. Keineswegs wird alles Schlechte auf Instagram & Co. abgewälzt – was ich einerseits gut, andererseits aber auch etwas problematisch finde, da das Körperbild besonders weiblicher Jugendlicher (wie Kiki) zunehmend unter der unrealistischen Selbstdarstellung vieler „Influencer*innen“ leidet.
Einsatz von Social Media
Dennoch finden sowohl WhatsApp als auch Instagram – ähnlich wie in der Serie „How To Sell Drugs Online (Fast)“ – geschickt ihren Einsatz, da die Charaktere ständig miteinander kommunizieren und zudem alle Figuren einen eigenen Real Life Instagram-Account besitzen. Eine kleine Parallelwelt sozusagen, die die Serie noch authentischer wirken lässt als ohnehin schon. Denn obwohl man den Jungschauspieler*innen ihre geringe Erfahrung zum Teil anmerkt, wirkt die Serie keineswegs gekünstelt: Man ist schließlich nicht immer lässig und schlagfertig (außer Mia und Amira vielleicht), sondern auch mal unbeholfen. Schmunzeln musste ich vor allem bei den Dialogen zwischen Carlos (Louis Daniel) und Abdi (Arda Görkem), die sich im schönsten Jugendslang Dinge wie „Ey Digger, was laberst du“ oder „Alter, die Vibes haben nicht gestimmt“ an den Kopf werfen, während die anderen meist nur den Kopf schütteln.
Dranbleiben lohnt sich
Zugegeben: Die erste Staffel ist zwar etwas klischeehaft, sodass ich erst meine Zweifel hatte, ob ich überhaupt weitergucken sollte. Doch nachdem ich die (Nebenrollen-)Charaktere besser kennengelernt hatte, wurde ich auch auf deren Probleme und Konflikte neugierig – und blieb dran. Spätestens mit Beginn der zweiten Staffel bereute ich diese Entscheidung kein bisschen mehr, da mit Mia eine starke Persönlichkeit in den Vordergrund gerückt wird, mit deren feministischen Werten und politischen Überzeugungen ich mich sehr gut identifizieren konnte. Aber auch die dritte und vierte Staffel mit Matteo und Amira in den Hauptrollen haben es mir direkt angetan. Denn hier wird sowohl Heteronormativität und das binäre Geschlechterkonzept als auch der persönliche Stellenwert des Glaubens (oder eben Nicht-Glaubens) hinterfragt. Spannende Themen also, wie ich finde, die quasi ganz nebenbei in die Serie mit einfließen und so auch zum Nachdenken über die eigene Identität anregen.
Es geht noch besser – und es geht weiter
Obwohl die Serie durchaus diverse Blickwinkel ermöglicht, finde ich es etwas schade, dass die lebenslustige Sam (Jobel Mokonzi), ebenfalls Mitglied der fünfköpfigen Mädchenclique und neben Amira die einzige Woman of Colour, kaum zur Sprache kommt und ihr auch insgesamt zu wenig Beachtung (in Form von Interaktion) geschenkt wird. Vielleicht ändert sich das ja mit der nächsten Staffel, falls der freundschaftliche Zusammenhalt dann überhaupt noch so gegeben ist. Schließlich haben mittlerweile fast alle ihr Abi in der Tasche und gehen teilweise getrennte Wege. Eine Situation, die einem bekannt vorkommen dürfte, wenn man zum Studieren oder für eine Ausbildung in eine andere Stadt oder sogar ein anderes Land gezogen ist. Ein ständiger Balanceakt zwischen „altem“ und „neuem“ Leben.
Ein Artikel von Lena Toschke
Titelbild mit freundlicher Genehmigung von funk von ARD und ZDF / Fotograf: ZDF/Bantry Bay/Gordon Muehle
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