Der lange Kampf um den 1. Mai bis heute

Seit fast zwei Wochen sind viele Geschäfte wieder geöffnet, die Wirtschaft wird angekurbelt, aber das Versammlungsverbot zur freien Meinungsäußerung besteht weiterhin. Das klingt nicht gerade demokratisch. Mittlerweile steht fest, dass der internationale Kampftag der Arbeiter*innenklasse in Corona-Zeiten in Deutschland trotzdem gefeiert wird. Doch zuerst ein bisschen Geschichte über den langen Kampf des 1. Mai: von der Forderung des 8-Stunden-Tags bis zum gesetzlichen Feiertag.

Den 1. Mai als Feiertag, als Kampftag, als Streiktag kennen sicher viele – aber wie ist es überhaupt dazu gekommen?
Alles begann mit dem Aufruf zur Durchsetzung des 8-Stunden Tags zum Generalstreik am 1. Mai 1886 durch die nordamerikanische Arbeiter*innenbewegung. Zur Info: Ein 12-Stunden-Tag bei einem Tagesverdienst von drei US-Dollar war zu der Zeit der Durchschnitt. Der 1. Mai war nicht zufällig ausgewählt. Die Massendemonstration am 1. Mai 1856 in Australien, bei der schon mal der 8-Stunden-Tag gefordert wurde, diente als Vorbild.

Drei Wochen später wurde auf dem Chicagoer Haymarket eine Arbeiter*innenversammlung abgehalten, was einen mehrtägigen Streik in Chicago zur Folge hatte. Am 3. Mai kam es zunächst zu einer gewalttätigen Auseinandersetzung zwischen Demonstrant*innen und der Polizei. Dabei wurden zwei Demonstrierende getötet. Am Tag darauf eskalierte die Gewalt erneut im Rahmen einer Protestkundgebung. Die friedliche Versammlung wurde durch die Polizei gestürmt, woraufhin eine, bis heute unbekannte Person, eine Bombe warf, die einen Polizisten sofort tötete und zahlreiche Demonstrierende und Uniformierte verletzte. Sechs weitere Uniformierte starben an den Folgen des Bombenanschlags.

Die darauf folgenden Ausschreitungen, gingen in die Geschichte der USA als Haymarket Affair ein und kostete vielen das Leben. Insgesamt wurden mehr als 200 Arbeiter*innen verletzt. Es starben sieben Menschen auf Seiten der Polizei und schätzungsweise die dreifache Anzahl an Menschen auf Seiten der Demonstrierenden.

Doch damit nicht genug. Als Folge der heftigen Auseinandersetzung wurden acht Anarchist*innen festgenommen, die die Kundgebung organisiert hatten, weil sie der Verschwörung angeklagt wurden. Vier von ihnen wurden hingerichtet, einer beging in seiner Zelle Selbstmord und die noch lebenden drei wurden nach sechs Jahren begnadigt.

1889 kam es zum Gründungskongress der Zweiten Internationalen in Paris, an dem rund 300 verschiedene Arbeiter*innenorganisationen und -parteien aus 20 Staaten teilnahmen. Hier wurde zum Gedenken an die Opfer der Haymarket Affair der 1. Mai als „Kampftag der Arbeiterbewegung“ und 1910 ursprünglich der 19. März – heute 8. März – als Internationaler Frauentag ausgerufen.
Zum ersten Mal wurde am 1. Mai 1890 der Protest- und Gedenktag der Arbeiter*innenbewegung mit Massenstreiks und Massendemonstrationen in der ganzen Welt begangen.

Der 1. Mai im Nationalsozialismus

Als Anfang 1933 die NSDAP in Deutschland an die Macht kam, hoben sie zunächst die Versammlungsfreiheit, die Pressefreiheit und das Briefgeheimnis mit sofortiger Wirkung auf.
Während die kommunistische Bewegung eine „Einheitsfront“ gegen das faschistische Regime forderte und den Generalstreik ausrufen wollte, klammerten sich die Gewerkschaften weiter an ihre Hoffnung, dass ihre Bereitschaft zur Anpassung von den Nationalsozialisten honoriert würde und ihre Organisationen verschont blieben. Sie nahmen außerdem hin, dass der 1. Mai in einen „Tag der nationalen Arbeit“ umgemünzt und benannt wurde. Der Tag wurde zudem als gesetzlicher Feiertag erklärt, als Adolf Hitler am 1. Mai 1933 eine Ansprache auf dem Tempelhofer Feld in Berlin vor Hunderttausenden hielt. Die Teilnahme an der Kundgebung wurde mit der Auszahlung des Lohns verknüpft, was die Anwesenheit der vielen Menschen erklärt.

Am 2. Mai 1933 stellten sich schließlich alle Hoffnungen der Gewerkschaften als fataler Irrtum heraus. Die Büros der Freien Gewerkschaften wurden in ganz Deutschland gestürmt, die Vermögen beschlagnahmt, führende Leute verhaftet und die Gewerkschaften von da an gleich geschaltet.
Ein Jahr später wurde der 1. Mai erneut umbenannt und fand ab da als „Nationaler Feiertag des deutschen Volkes“ statt.

Nach Ende des Zweiten Weltkriegs wurde der 1. Mai 1946 durch den Alliierten Kontrollrat als Feiertag anerkannt. Die Kundgebungen durften jedoch zunächst nur eingeschränkt durchgeführt werden.

Und heute, während einer Pandemie?

Heute ist der 1. Mai in Deutschland nach den Feiertagsgesetzen der Länder ein gesetzlicher Feiertag. Doch wie wird dieser geschichtsträchtige, emanzipatorische Feiertag in diesem Jahr in Zeiten einer Pandemie und eines Versammlungsverbots begangen?
Diese Frage lässt sich pauschal nicht beantworten, da die Rechtslage keine Versammlungen vorsieht. Dennoch wurden in mehreren deutschen Städten bereits andere Demonstrationen erfolgreich angemeldet und durchgeführt. Erschreckend ist, dass es sich bei den Teilnehmenden häufig um Rechte, Verschwörungstheoretiker*innen und Impfgegner*innen handelt. Diese leugnen teilweise die gesamte Pandemie und lehnen sämtliche Schutzmaßnahmen ab.
Es wird also auf der einen Seite Leuten, die die Dringlichkeit von Schutzmaßnahmen in Zeiten einer Pandemie ignorieren und ablehnen, eine Ausnahmegenehmigung vom derzeitigen Versammlungsverbot erteilt. Auf der anderen Seite wurden 300 Menschen, die am 5. April mit zwei Meter Sicherheitsabstand und Schutzmasken in Frankfurt gegen die europäische Flüchtlingspolitik protestierten, von der Polizei zum Teil ohne Schutzmasken am demonstrieren gehindert. Die Polizei löste die Menschenkette auf, stellte Personalien fest und leitete Ordnungswidrigkeitsverfahren ein.

Eine Aktivistin hatte gar durchs Megafon erklärt, dass „Versammlungen von Menschen zurzeit unverantwortlich“ seien. „Aber nicht zu protestieren, ist es angesichts der humanitären Katastrophe auch.“
Das sehen viele linke Gruppen wohl auch so, denn zum Protest mit coronakonformen Schutzmaßnahmen am 1. Mai, wurde in zahlreichen deutschen Städten aufgerufen.

Hier findet ihr eine Auflistung der Städte und Infos zu den Aktionen.
Denn Gründe für Protest gibt es genug in Zeiten von faschistischen Morden, einer sich immer weiter verschärfenden Situation am Wohnungsmarkt, der Klimakrise und nicht zuletzt der menschenunwürdigen Situation, der vielen Tausend Menschen an den EU-Außengrenzen.
Also was immer ihr tut, bleibt informiert, haltet Abstand, tragt einen Mundschutz und seid laut!

#StayHomeButNotSilent

Titelbild von Sophie Aschenbrenner
Ein Artikel von Jasper von Römer

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