Eigentlich ist Self Care wirklich simpel: Tue Dinge, die zu deiner Selbsterhaltung beitragen und gönne sie dir von Herzen. Dazu gehört auch Aufräumen, Saubermachen und sich etwas zu essen machen. To care for your space is to care for yourself. Das Ziel ist es, darin keine nervigen oder erdrückenden Pflichten zu sehen, sondern einen Akt der Selbstliebe. Das Problem ist oft, dass ich von Self Care erwarte, dass ich dadurch direkt glücklich werde. Das kann auch mal sein, und wenn es passiert, ist es schön, aber ich denke der Hauptzweck von Self Care ist es, sich daran zu erinnern, dass das Selbst etwas ist, worum man sich kümmern muss und darf. So weit, so basic.
Wenn dann aber eine kapitalistische Leistungsgesellschaft mitsamt Vermarktung von Self Care zu Profitzwecken hinzukommt, passiert es leicht, dass ich denke, ich muss mich mal um mich kümmern, damit ich dann wieder glücklich und somit leistungsfähig bin, oder dass ich mir Dinge als Self Care verkaufe, die eigentlich produktiv sein wollen („Du malst zur Entspannung? Versuch doch mal, die Ergebnisse zu verkaufen!“ „Du gestaltest gern? Ein Bullet Journal ist eine super Art, Termine und to-do-Listen zu managen!“)
Auch passiert es schnell, dass ich versuche mir etwas Gutes zu tun, indem ich etwas kaufe bzw. konsumiere. Das funktioniert auch irgendwie, da uns allen immer wieder eingeredet wird, dass wir durch Konsum bestimmter Güter glücklich und erfolgreich werden und mir ein gekaufter Artikel deshalb für einen Moment das Gefühl gibt, glücklich und erfolgreich zu sein.
Um nachhaltig gut zu mir zu sein und meine Beziehung mit mir selbst zu vertiefen, bringt es mir allerdings nicht so viel, denn wie gesagt, bedeutet Self Care für mich vor allem mir die guten Dinge, die ich mir gebe, auch zu gönnen. Da das für mich oft sehr schwer ist, habe ich einige Skills gesammelt, die mir auf unmittelbare Weise guttun, die weder aufwendig noch profitabel sind und die auch kein Geld kosten. Das funktioniert für jede*n sicher etwas anderes, aber hier sind meine Faves:
Schreib was auf
Es kann ein Tagebuch sein oder eine Geschichte, ein Gedicht oder ein Rezept. Wenn ich nicht weiß, was ich schreiben soll oder alle meine Gedanken langweilig finde, mache ich oft Listen, wie zum Beispiel diese hier:
„Dinge über die ich heute gelacht habe“
„Badeseen an denen ich schon war“
„Küchengeräte, die wirklich niemand braucht“
„Küchengeräte, die ich gerne hätte“
Alles, was aus dir heraus aufs Papier, ins Word-Dokument oder auf dein Handydisplay kommt, ist gut!
Häng etwas an die Wand
Es ist fast egal was. Einen Zeitungsartikel, ein Bild, das du lustig findest, eine selbstgebastelte Girlande, eine Weihnachtskarte von Oma aus dem Jahr 2013. Du kannst dir ein Zitat suchen, das du magst und es aufschreiben oder einen Gedanken, den du jetzt grade hattest – Kalligraphie ist super, aber schwarzer Edding und Großbuchstaben sind auch eine Ästhetik, genau wie Bleistiftgekritzel – Hauptsache es hängt!
Mach dir Kräutertee
Das gute an Tee ist, dass er keinen direkten Zweck erfüllt (wie Getränke mit Koffein zum Beispiel), weder anstrengend zu machen noch zu trinken ist, aber dafür ein Ritual beinhaltet. In der Zeit, die es braucht bis das Wasser kocht, der Tee gezogen und genug abgekühlt ist, um getrunken zu werden, entwickelt sich bei mir ein sehr angenehmes Gefühl von Sanftheit und Verantwortungsbewusstsein gegenüber mir selbst. Vielleicht ist das etwas übertrieben – hey, es ist nur eine Tasse Tee – aber es funktioniert meistens, wenn mir grade die Sinnhaftigkeit abhanden gekommen ist.
Ruf ein*e Freund*in an
Eigentlich weiß ich, dass es hilft, mit Leuten zu reden, aber manchmal vergesse ich es. Also: ruf jemanden an! Für mich funktioniert es am besten, wenn ich das Telefonat als eine richtige Verabredung begreife, bei der ich von meinen Problemen erzählen kann, aber auch zuhöre und wir zusammen abschweifen und Spaß haben. Manchmal ist es schön, das Gespräch zu rahmen, also zum Beispiel zusammen Tee zu trinken, zu essen oder einen Spaziergang zu machen.
Geh in Ruhe baden oder duschen
Fun Fact: Baden ist auch entspannend, wenn man nicht vorher wartet bis man eine Bath Bomb besorgt hat und dann noch mal wartet bis der Zeitpunkt gekommen erscheint, sie zu benutzen. Baden geht auch ohne Schaum und Kerzen und es ist auch okay, wenn man damit nicht eine Mental-Health-180°-Wende hinlegt, sondern einfach nur einen etwas weniger verspannten Rücken hat. Und der Moment, wenn du ins warme Wasser slidest und es an deinem Nacken ankommt ist guaranteed Magic.
Wenn man keine Badewanne hat, ist duschen auch eine super Möglichkeit. Man kann sich auch in der Dusche hinsetzen – sounds a bit like heartbreak, aber kann sehr schön Alltagsroutine unterbrechen und einem Raum geben um zu merken, wie gut das warme Wasser tut.
Mach eine private Dance Session mit Kopfhörern
Such dir ein Album oder eine Playlist raus, mach wenn möglich die Tür und die Augen zu, setz Kopfhörer auf und guck, was passiert. Schau welche Movements dein Körper will oder auch nicht. Du kannst auch einfach rumlaufen oder rumliegen, aber versuch offen zu sein für weniger pragmatische Bewegungen. Vielleicht tanzt auch nur dein linker Fuß oder dein kleiner Finger. Nimm dir einfach die Zeit, um zu sehen, was dein Körperbedürfnis ist.
Touch yourself with love
Und das meine ich gar nicht sexuell, auch wenn das auch super sein kann. Berühre deinen Körper mit der Intention, dir Zuneigung zu zeigen, wie du es auch bei einer anderen Person tun würdest. Je nachdem wie deine Beziehung zu deinem Körper aussieht, kann das Überwindung kosten, aber mach dir keinen Druck – finde eine einzelne Stelle an deinem Körper, die du magst oder gerne berührst. Streich dir über die Wange, die Wade oder den kleinen Finger. Nimm die Berührung als eine liebevolle an.
Das sind ein paar Sachen, die sich für mich gut anfühlen. Wenn etwas davon (oder auch alles) für euch nicht funktioniert, hilft es euch vielleicht trotzdem, eure eigenen Strategien zu entwickeln. In jedem Fall solltet ihr versuchen, euch keinen Druck zu machen, auf euren Körper zu hören und kleine Gesten zu finden, um euch zu zeigen, dass ihr euch mögt.
Ein Artikel von Jule Bökamp
Titelbild von Tim Goedhart auf Unsplash
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