In diesem Beitrag wird ein Erfahrungsbericht zu Dysphorien einer nicht-binären Person*en in Form eines Gedichts und eines Videos dargestellt. Was sind Dysphorien eigentlich? Schaut dazu in den Glossar!
Vorwort
Dies ist ein Erfahrungsbericht zu Dysphorien einer nicht-binären Person*en. Neben dem psychischen Druck, der durch die Inkohärenz von Körper und Genderidentität*en entstehen kann, ist es häufig zusätzlich so, dass soziale Räume vermieden werden, da diese Risiko für falsch- und*oder anders-Wahrnehmungen des Selbst durch anwesende*n Person*en bieten. Das folgende Gedicht befasst sich mit dem Zusammentreffen der dargelegten Aspekte von Dysphorien und dadurch entstandenen (psychischen) Belastungen.
Triggerwarnung: Dysphorien, psychische Instabilitäten, selbstverletzendes Verhalten, suizidale Gedanken
Milch & Fleisch
Ich nehme mich räumlich klar wahr Wie meine Silhouette das Licht streift Schatten wirft, wie ich mich bewege, mich hinsetzen soll wie ich rede. Wann die Stimme hoch und wann tief gesetzt sein muss. Was für Fragen interessant sind Und bei welchen Menschen ich bestimmte Antworten zu geben hab. „Spannend. Erzähl mir mehr davon“ Ich weiß, Wie ich meine Hand halten muss, dass ich nachdenklich aussehe. Wie ich das Ganze mit einer Zigarette untermalen kann. Ich nehme mich räumlich klar wahr Ich weiß, wie meine Oberschenkel aussehen, wenn ich sie überkreuze wie mir meine Schuhe mit einer leichten Bewegung Eleganz verleihen wie mein Bauch Falten schlägt, wenn ich mich nach vorn beuge Wie ich meine Stirn runzeln muss, dass du denkst, ich verstehe nichts oder etwas zu viel. Wartend auf den nächsten stillen Moment, um dich zu kritisieren. Ich nehme mich räumlich klar wahr und ich hasse meine Brüste, Sie brechen meine Präsenz Wie sie vor meinem knochigen Gerüst hängen Wie die Wölbung von anderen gesehen wird, von dir gesehen wird, die Rundungen meines BHs durch mein T-Shirt stechen Wie du nach meinen Nippeln suchst Wie meine Brüste nicht zum Rest von mir passen. Ich sehe jeden Blick Egal, ob er von unten nach oben Andersrum oder doch schräg von der Seite kommt Ich schwimme so dazwischen. Zwischen den lauten Zurufen Den Händen, die mir entgegenkommen Nach mir greifen. Noch mehr Worten, die Aktionen schreien Vor denen ich wegrenne. Zwischen euch ganzen aufgeklärten Menschen, die mich dann doch nicht mehr zu ihren super offenen Ansammlungen einladen Zwischen euren überraschten Gesichtern, die kaum glauben können, dass es ja „sowas“ heutzutage noch gibt Zwischen euch Freund*innen, die mir mein Dazwischen absprechen, weil ihr meine Brüste seht Und meine Realität*en nicht verstehen wollt, weil ihr auch Brüste habt. Zwischen allem und allen. Brüste… Heute reiß ich euch ab Lasse euch verbluten und mich vom Schmerz befreien Ich will euer Gewebe sehen, eure Muskeln und Sehnen jede einzelne verstopfte Ader die Milchgefäße aus denen eine gelbe Flüssigkeit läuft Ich will es sehen! Wie sie aus meinem Körper ragen Komplett verwundert über meine Wut. Die pure Entblößung unter meiner Kontrolle Manchmal halte ich ein Messer an die unterste Kante Schneide ein Stück in meine Richtung … Ich warte auf den Moment der Manie In dem der Impuls die Logik überzieht Und ich mich befreie Allein in meiner Küche Allein in meinem Bett Werde ich liegen und schreien Und du wirst dich fragen, was denn jetzt auf einmal los sei Warum ich mich so aufrege Dass das ja alles gar nicht so schlimm sei. Denk ich mir auch Wenn ich jede Stunde in meiner Wohnung sein muss Das Dach zwischendurch entfernen möchte Und eine Illusion von Öffentlichkeit hätte Dann wäre alles gar nicht so schlimm Stimmt. Ich schneide mir jetzt meine Brüste ab. Bade in mir selbst in einem weißen Laken Ich rolle mich in meine Beine. Getränkt von meinem eigenen Blut Werde ich dich auslachen, dass du die Kontrolle verloren hast und ich nun sterben kann, tot bin. meine, keine Entscheidung.
Milch und Fleisch – virtual experience
Ein Artikel von Maria Lucka (Maria Lucka verwendet keine Pronomen)
Titelbild von Maria Lucka
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