Mae Martin gelingt ein charmantes Serien-Debüt voller Witz und Unterhaltung ohne Scheu vor Tiefgang. Hals-über-Kopf-Romantik gibt es ganz ohne Kitsch, stattdessen mit vielschichtigen Figuren und allerlei Konflikten.
Die semi-biografische Netflix-Serie Feel Good von und mit der kanadischen Komikerin Mae Martin erzählt die Geschichte eines vermeintlich ungleichen Liebespaars. Da ist zum einen Mae (Mae Martin), die die Zuschauer*innen in der ersten Folge in Richtung blaues Neonlicht in die Serie führt, Mae, die Stand-Up-Komödiantin, die entsprechend ihrer Berufswahl nur schwer über die Runden zu kommen scheint, Mae, die in der Vergangenheit drogensüchtig war und wegen Dealen schon im Gefängnis gesessen hat und Mae, für die die hier verwendeten weiblichen Pronomina gar nicht so richtig passen wollen, weil Mae sich nicht immer als Cis-Frau fühlt. Auf der anderen Seite steht George (Charlotte Ritchie), die junge Lehrerin, die Mae nach einer ihrer Comedy-Shows kennen lernt und die zuvor nur in heterosexuellen Beziehungen war.
Die beiden verlieben sich in atemberaubender Geschwindigkeit ineinander; nach nur 7 Minuten wird zum ersten Mal geknutscht, nach 8 Minuten ziehen die beiden zusammen. Zunächst sieht alles nach einer wahren “Feel Good“-Serie aus, die einen temporeich ins Geschehen wirft. Hält man das elektronische Flimmern beim ersten Kuss noch für ein filmisches Stilmittel, mit dem die knisternde Anziehung der beiden Protagonistinnen verbildlicht werden soll, so wird man an späterer Stelle eines Besseren belehrt: Das Flimmern meldet sich immer, wenn Mae in ihre alten Suchtmuster zurückzufallen droht.
Überspitzte und verinnerlichte Heteronormativität
Das ist allerdings nicht die einzige Hürde, die sich vor dem Paar auftut. Auch der Umgang mit Queerness ist in Feel Good Thema – wie könnte er es nicht in einer heteronormativen Gesellschaft, die in der Serie ihren Schrecken komödiantisch vor allem in Form von Georges Freundeskreis entfalten darf. Hier drehen sich die (sowohl positiven wie auch negativen) Gedanken der Frauen meist um gegenwärtige, zukünftige oder vergangene Liebhaber, während Männer furzende, kindische, und sexistische Gockel sind. Bei einer der Party-Szenen fehlt nur noch, dass jemand einem im Suff schlafenden Gast mit Edding, Penisse auf die Wange malt.
Schlimmer als das Alpha-Männchen-Brüllen ist aber die heteronormative Erwartungshaltung, die Georges Freund*innen, allen voran ihre BFF Binky (Ophelia Lovibond), an sie richten. Sie wird zur Bürde für die Beziehung der Protagonistinnen. Denn George kann sich nicht überwinden, den ihr auferlegten Normen entgegen zu treten und zu Mae zu stehen. Das ist stark gemacht bei Feel Good: Die Freund*innen (und die Gesellschaft) werden entlarvt, wie sie durch ständige Reproduktion des eigenen begrenzten Weltbilds trotz pseudo-toleranten Beteuerungen die Verliebtheit zweier Menschen zum abweichenden „Anderen“ konstruieren. Noch stärker ist, dass ersichtlich wird, wie sehr auch George diese Haltung verinnerlicht hat und zu ihrer Aufrechterhaltung beiträgt, womit sie Mae und ihre Beziehung belastet. Mae ist in ihrer Genderidentität nämlich fluide und lässt sich von dem, was sie als Georges Ansprüche interpretiert, unter Druck setzen. So verbiegt sie sich beispielsweise zwanghaft, um Georges (männlichem) Jugend-Schwarm ähnlicher zu werden: Das Ausleben einer flexiblen Queerness wird verkehrt ins Spielen einer belastenden Rolle.
In Feel Good wimmelt es von Beziehungen, in denen der Wurm drin ist.
Als wie „normal“ die sonstigen Probleme von Mae und George eingestuft werden, ist wohl allen Zuschauer*innen selbst überlassen: Das Rad neu erfunden haben die narrativen Konflikte nicht, was nicht heißen soll, dass ihre Umsetzung nicht gelungen ist. Im Gegenteil: Die ansprechende Ästhetik der Serie, ihre Blickwinkel, ihr Humor und ihre liebevoll schrägen, niemals eindimensionalen Figuren sind erfrischend, gerade weil die Handlung keineswegs seicht dahinplätschert.
Ihrem Titel zum Trotz geht es in der Serie oft um Schmerz, vor allem um schmerzhafte, an irgendeiner Stelle gestörte, menschliche Beziehungen und Fehlschläge des Zwischenmenschlichen. Sei es das schon erwähnte Verhältnis Georges zu ihren Freund*innen, sei es die zentrale Liebesbeziehung selbst, das Verhältnis Maes zu ihren Eltern (Lisa Kudrow, Adrian Lukis) oder das zu Maggie (Sophie Thomson) aus der Selbsthilfegruppe, sowie deren Verhältnis zu ihrer Tochter Lava (Ritu Arya), und nicht zuletzt das schmerzhafte Verhältnis, das die Figuren zu sich selbst aufgebaut haben: In Feel Good wimmelt es von Beziehungen, in denen der Wurm drin ist.
Von der Serie selbst kann man dies allerdings nicht behaupten. Nach nur 6 Folgen und insgesamt 3 Stunden rasend schnell vorüber ziehender Spielzeit endet sie und lässt uns mit der Hoffnung zurück, dass es bald mehr Unterhaltung von ihrem Schlag geben könnte.
Ein Artikel von Katharina Kremser
Tielbild: (c) Channel 4 / Netflix
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