Der Pride Month ist vorbei – Regenbogenflaggen, queere Symboliken und Repräsentation der LGBTQIA+ Community sind aus den Schaufenstern verschwunden. Queere Ästhetik als Marketingstrategie – Was ist eigentlich Pink Capitalism?
Über die Geschichte des Pride Month und der Pride Flag
Der Juni jeden Jahres gilt international als Monat der Sichtbarkeit, Wertschätzung und Stärkung der LGBTQIA+ Community sowie ihrer Rechte. In Gedenken an den Stonewall-Aufstand im Juni 1969 in Manhatten, der für die Gleichberechtigung und Sichtbarkeit der LGBTQIA+ Bewegung kämpfte, wird der Monat Juni auch Pride Month genannt. Der Pride Month ist deshalb so wichtig, weil er an den Beginn eines internationalen Wandels innerhalb der LGBTQIA+ Gemeinschaft sowie an dessen weiterreichende gesellschaftliche Auswirkungen erinnert.
Ein Wiedererkennungsmerkmal der Community ist die Pride Flag. Die Pride Flag, auch Regenbogenfahne genannt, entstand 1978 in San Francisco, als Harvey Milk – der erste geoutete schwule Mann in einem öffentlichen Amt in den USA – Gilbert Baker damit beauftragte, die queere Community mit einem positiven Repräsentations-Symbol auszustatten. Vor der Pride Flag wurde oft ein pinkes Dreieck als Symbol verwendet. Dieses Symbol nutzten jedoch die Nationalsozialist*innen in Konzentrationslagern, um schwule beziehungsweise queere Männer zu kennzeichnen. Trotz der wieder angeeigneten Semiotik der Flagge designte Gilbert Baker die Regenbogenfahne. Als Inspiration diente dafür die Diversität der Community. Im Laufe der Jahre kamen noch zahlreiche andere Flaggen dazu, die für die individuelle Repräsentation der einzelnen Gruppen stehen und deren eigene Bedeutung und Geschichte erzählen.
Regenbogenfarbene Schaufenster
In der Zeit des Pride-Month werben verschiedene Firmen und Marken aus unterschiedlichsten Sparten mit Produkten und/oder Werbeslogans, die mit dem Community-Symbol, dem Regenbogen sowie den Pride-Farben versehen sind. Viele Modemarken, wie z.B. Adidas, Calvin Klein, Levi’s , H&M sowie verschiedene online Modehäuser wie zum Beispiel Zalando verkaufen eine limitierte Pride-Kollektion im Monat Juni und werben mit der Sichtbarkeit, Stärkung und Solidarisierung für und mit die/der LGBTQIA+ Community. Aber auch die Deutsche Bank oder Automobil-Firmen wie Daimler, starten Kampagnen für mehr Sichtbarkeit der Community im Pride Month. Die Bandbreite an Firmen ist zahlreich und dahinter verbirgt sich meist eine ausgeklügelte Marketingstrategie: der Pink Capitalism.
Der Regenbogen-Kapitalismus beziehungsweise Pink Capitalism ist eine Unterkategorie einer kapitalistischen Wirtschaft, die die LGBTQIA+ Gemeinschaft als aktuelle oder potenzielle Kund*innen betrachtet. Mitte der 1960er Jahre gab es in den Vereinigten Staaten einen dokumentierten Wandel in der Marketingpraxis von der Ausrichtung auf den Mainstream- oder Massenmarkt hin zu der Einbeziehung eines stärker spezialisierten Nischenmarktes. Diesem Trend folgend haben gewinnorientierte Unternehmen begonnen nach diversen Kund*innennischen zu suchen. Zeitgleich haben soziale und politische Bewegungen dazu geführt, die Sichtbarkeit der LGBTQIA+ Gemeinschaft zu erhöhen.
Kapitalisierung queerer Ästhetik
Der Pink Capitalism ist die Kombination von Kapitalismus, Marktwirtschaft und sexueller Orientierung als Zielgruppen-Kategorie. Menschen, differenziert nach ihrer sexuellen Orientierung und/oder Geschlechteridentitäten, werden als Zielgruppe potenzieller Kund*innenschaft und als wohlhabende Käufer*innen betrachtet. Der Markt nimmt an, dass es sich bei LGBTQIA+ Paaren um DINK-Paare (double income, no kids also Doppelverdiener*innen ohne Kinder) handelt. Sie haben also weniger Kinder als andere Gruppen und überdurchschnittlich hohe Gehälter, was bedeutet, dass sie über viel Geld verfügen können. Aus diesem Grund stellt diese Community eine lukrative Einkommensquelle dar, wenn die Kaufkraft der queeren Bevölkerung aktiviert wird. Im Wesentlichen besteht die Praxis von Unternehmen darin, Produkte zu schaffen, die speziell für die queere Gemeinschaft vermarktet werden, um ihre Kaufkraft zu kapitalisieren.
Unternehmen nutzen die Sichtbarkeit der Community durch die Produktion von Pink Washing Artikeln wirtschaftlich aus. Der Begriff Pink Washing* ist eine Zusammensetzung aus dem Wort „Pink“ und „White Washing“ („Schönfärberei“). Im Kontext der LGBTQIA+ Gemeinschaft steht dies im Wesentlichen für die Förderung der Homosexuellenfreundlichkeit/Queerfreundlichkeit eines Unternehmens nach außen.
Somit wird versucht als fortschrittlich, modern und tolerant wahrgenommen zu werden, sowie sich die Zuneigung und Sympathie der Masse zu erkaufen. Durch das Pink Washing Marketing generiert ein Unternehmen vermeintliche Gemeinschaft, in dem sie ihre Produkte und Artikel zum Beispiel mit dem Regenbogensymbol oder den Regenbogenfarben versehen. Durch das Hinzufügen queer-freundlicher Elemente schaffen Marketingkampagnen einen scheinbar solidarischen Zusammenschluss mit ihren Kund*innen. Typische Praktiken in dieser Kampagnenkategorie sind zum Beispiel die Platzierung queerer Symbolik wie Regenbogenfarben, die Suche nach Kooperationspatenschaften für LGBTQIA+ Organisationen und -Veranstaltungen oder die Einbeziehungen von nicht heterosexuellen Paaren in Werbespots.
Kapitalistische Unternehmen als Ally?
Es wird also versucht über Angebot und Marketing das Image einer Allyschaft aufzubauen. Dessen performativer Charakter wird aber deutlich, wenn durch diese scheinbare Allyschaft auf monetärer Ebene nicht die Menschen aus queeren Communities profitieren sowie die queeren Symboliken lediglich kapitalisiert werden, anstatt die Forderungen der LGBTQIA+ Community zu unterstützen und sich aktiv zu solidarisieren.
Wichtig wäre also eigentlich ein weitgehender Ausbau der ideologischen Werte innerhalb der Unternehmensstruktur, um eine glaubwürdige Allyschaft gewährleisten zu können. Für eine nachhaltige Unterstützung der Community muss eine stetige Selbstreflexion und Auseinandersetzung mit der politischen Dimension und Geschichte der queeren Gemeinschaft passieren. Der Pride Month fördert eine gewisse Sichtbarkeit und das Gefühl des Empowerments wird bei manchen Mitgliedern der Community erfüllt. Die Hintergründe und Herangehensweisen müssen aber verändert werden, um flächendeckende Glaubwürdigkeit zu erzielen und der Community nicht nur während des Pride Month den Rücken zu stärken.
*Allerdings sollte angemerkt sein, dass der Begriff „Pink Washing“ auch in antisemitischen Zusammenhängen verwendet wurde und verwendet wird. Entsprechend kann er einen gewissen Impact haben. Davon soll sich in diesem Artikel distanziert werden.
Eine Artikel von Larissa Fischer
Titelbild von .divers Redaktion

Larissa Fischer schreibt gerade ihre Bachelorarbeit in Kulturwissenschaften und ästhetischer Praxis in Hildesheim. Zuletzt hat bei diesem Projekt über Arbeit in der Konzeptberatung und als Theaterpädagogin mitgewirkt. In ihrer Freizeit zieht sie ihre Freund*innen gerne bei Exploding Kittens ab.
Hallo Frau Fischer,
meine Tochter hat mir Ihren Artikel gerade weitergeleitet und ich habe Ihnen und meiner Tochter folgenden Kommentar verfasst:
So ganz kann ich Ihren Standpunkt leider nicht nachvollziehen. Das Unternehmen mit Regenbogenfahnen Geschäfte machen und davon nichts an die Comunity auszahlen, ist leider so. Wer die Deutschlandfahne verkauft, zahlt auch keine Extraabgabe an uns als Gesellschaft („Wir“ als Summe aller Geschlechter). Es bräuchte ein Copyright, das ist für eine gesellschaftliche Gruppierung ohne Gewinnabsicht aber irgendwie unangebracht. Letztendlich ist die „Kapitalistische Ausbeutung“ ihres Symbols ja Ausdruck des Ankommens in der Mehrheitsgesellschaft.
Der Hinweis auf eine mögliche Verlogenheit einzelner Unternehmen finde ich interessant. Wer Pride-Flaggen verkauft sollte queere Menschen zumindestens respektieren. Solange es in den Unternehmen keine offensichtliche Diskriminierung gibt, gehe ich aber davon ausgehen, dass das der Fall ist. Wie groß ist in ihren Augen das Problem der Verlogenheit? Wie viele Unternehmen betrifft es? Oder ist das ein theoretisches Problem?
In meinem Unternehmen gibt es keine queere Förderung, ich hätte aber keine Probleme eine qualifizierte queere Person, die ins Team passt, einzustellen. Dürfte ich eine Pride-Flagge an mein Schaufenster kleben?
Beste Grüße
Henrik Sander
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