Der neue „3 Engel für Charlie“ kam nicht besonders gut an. Nachdem der Starttermin mehrfach verschoben wurde, hätte der Film auch deutlich besser an der Kinokasse abschneiden können. Nun ist der Film auf DVD erhältlich. Ob sich ein Blick trotzdem lohnt?
von Simone Bauer
Für Fans von guter, alter Girlpower: auf jeden Fall. Auch, wenn man ohne Vorwissen etwas in der Luft hängt. Zum Einen ist da Bosley („Picard“ Patrick Stewart), der in Ruhestand geht. Dann ist da Wissenschaftlerin Elena (Ella Balinska aus „Lemonade Mouth“), die Schreckliches um die Erfindung und Benutzung einer Energiequelle weiß, und dadurch auf die Abschussliste ihrer Chefetage gerät. Um sie zu schützen, müssen die beiden Engel Sabina (Kristen Stewart) und Jane (Naomi Scott) zusammenarbeiten – nicht unbedingt etwas, worauf speziell letztere scharf ist. Bald stößt ein neuer Bosley (und ehemaliger Engel) zu der Zivilistin und den beiden Engeln der Townsend Agency von Charlie: Elizabeth Banks, meist perfekt im 70er-Jahre-Look gestylt.
Nicht nur war Elizabeth Banks selbst Executive Producer, sondern auch Ex-Engel Drew Barrymore war an der Produktion beteiligt. Die Regie übernahm ebenfalls Banks, wie schon bei „Pitch Perfect 2“. Und jetzt kommt’s: Von ihr ist ebenso das Drehbuch! Und hier muss man sagen – ganz vorhersehbar ist die Story keinesfalls. Wer spielt hier eigentlich ein falsches Spiel?
„Sie glaubt, Gelb sei genau ihre Farbe – dabei steht Gelb niemanden.“
– Bosley
Sicher, manche von Janes Stunts sind etwas übertrieben. Aber der ehrgeizige Engel ist immerhin vom MI-6. Und hat schon einmal jemand bei James Bond dagegen protestiert, dass dieser ins All flog oder ein unsichtbares Auto fuhr?
Was leider ein großes Problem des Drehbuchs ist: Die Backstory von Elena wird fast komplett ausgespart. Über Jane erfährt man zwar ein bisschen mehr, aber eigentlich nur, weil es den Plot vorantreibt, dass da diese eine Sache in Istanbul passiert ist, die ihre MI-6-Karriere beendet hat. Wie sie überhaupt dahin kam? Ebenso unklar wie was man eigentlich von Sabinas Hintergrundgeschichte halten soll.
Dafür glänzt der Film mit Landschaftsaufnahmen und den Bildern von purem Luxus. Eine Welt, in die man gerne abtaucht, um sich ablenken zu lassen. Übrigens: Elenas Labor wurde in der Elbphilharmonie angesiedelt, die Party zum Schluss auf einem Schloss in Dresden gedreht. Man kann es sich natürlich schon denken: Charlie ist eine Frau. Mit glamourösen Ringen natürlich!
Dann wäre da noch die gelungene Musik. Schon in den 00er Jahren zeichneten sich Künstlerinnen wie P!nk für den Soundtrack verantwortlich. Dieses Mal ist der Soundtrack fast ausschließlich weiblich dominiert, mit einem Titelsong von Ariana Grande (die Mehrfachtäterin auf dem Soundtrack ist), Miley Cyrus und Lana Del Rey – „Don’t Call Me Angel“.

Wie schon auch „Ocean’s 8“ und „Ghostbusters“ ist „3 Engel für Charlie“ eine große Verneigung vor dem originalen Franchise. In der Szene, die in den berühmten Kleiderschrank der Engel führt, ist eines der Dirndl aus dem 00er „3 Engel für Charlie“ zu sehen. Auf der Ruhestandsparty von „Picard“-Bosley werden Fotos mit den 70er und 00er Engeln gezeigt. Jaclyn Smith, ihres Zeichens Originalengel, gibt einen Cameo so wie einst Sigourney Weaver bei „Ghostbusters“. Dies sollte eigentlich sämtliche Vorwürfe entkräften, man mache diese Reboots ohne Sinn und Verstand – allerdings wirft man dies natürlich auch allen neuen „Star Wars“-Filmen vor und wer steht hier im Mittelpunkt? Eine Frau.
Derzeit wird nun mal alles gerebootet, was nicht niet- und nagelfest ist. Das ist die perfekte Gelegenheit, Geschichten an die Gegenwart anzupassen. Denn seien wir ehrlich: Manche Settings sind einfach nicht gut gealtert. Wie viele Frauen sind noch mal in der „Ocean‘s“-Reihe zu sehen …?
Und so wurde beim Reboot von „Charmed“ beispielsweise die Macht der Drei Hexen nicht nur zu WoC, sondern eine der Hexen auch lesbisch. Während in der 00er-Reihe von „3 Engel für Charlie“ aus drei weißen Frauen immerhin nur zwei weiße Frauen wurden, ist es nun auf eine weiße Frau geschrumpft. Und die ist auch noch dazu sehr queer zu lesen! Man hat bei Kristen Stewart durchweg das Gefühl, dass sie einen Heidenspaß bei den Dreharbeiten hatte – eine absolute Seltenheit. Ob die Rolle der Sabina ihrem wahren Naturell einfach eher entspricht, ist natürlich Spekulation. Allerdings ist es dabei fast einen Tick zu viel. Sie ist anzüglich, sie führt merkwürdige Dialoge (die noch dazu in der Übersetzung hinken), sie trägt gemusterte Zweiteiler. Es ist, als hätte man hier die Blaupause von „Crazy Rich Asians“ und dem Charakter der Goh Peik Lin genommen – queere Frauen müssen nicht immer gleich absolut exzentrisch sein!
Fanfictionschreiber*innen wird übrigens ein Herz aufgehen: Sabina sorgt sich selbst im Kampf um Whistleblowerin Elena. Da wird jedes „Du bist so süß!“ aufgesogen, ebenso wie Elenas Schläfchen auf Sabinas Schulter („Na du?“). Archive of our Own, eine der größten Plattformen für Fanfictions, zählt bis heute 123 Arbeiten zu diesem Pairing. Überhaupt scheinen es diese vom Mainstream unterschätzten Streifen zu sein, die die kreative Arbeit queerer Künstler*innen anregt – zu „Ghostbusters“ und den Charakteren Erin und Jillian gibt es unzählige Fanfictions und Fanarts. Viele davon könnten nicht glücklicher damit sein, ein Pärchen gefunden zu haben, in dem sie sich wiederfinden und das so viel Erzählpotential bietet.
„Oder lässt du jetzt so richtig die Sau raus und isst was mit Gluten?“
– Sabina
All diese Neuauflagen mit überwiegend weiblichen Protagonistinnen geben also jungen Menschen und vor allem Mädchen und Frauen neue Vorbilder. Und auch, wenn in letzter Zeit viel gemacht wird, so hat Hollywood trotzdem noch einen langen Weg vor sich. „3 Engel für Charlie“ mag an manchen Stellen irritieren – zum Beispiel mit einer sehr merkwürdigen Tanzszene gegen Ende – doch es ist ein weiterer Schritt auf dem Weg.
Ein Artikel von Simone Bauer
Titelbild: © 2019 Sony Pictures Entertainment Deutschland GmbH
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Simone Bauer (cis/weiblich) debütierte 2011 im Schwarzkopf & Schwarzkopf Verlag und hat seitdem sechs Romane veröffentlicht, zuletzt 2018 „Butterflies – Die Göttin wird sich erheben“ mit einer Baby Butch in der Hauptrolle. Sie veröffentlichte zudem Kurzgeschichten bei verschiedenen Verlagshäusern und arbeitet als Journalistin für Online, Print und Radio, unter anderem für die MISSY. Ihrer Leidenschaft, über japanische LGBT- und Popkultur zu schreiben, geht sie bei den Magazinen des Raptor Verlags nach.