Ständig geht es um DAS erste Mal. Selbst mit Mitte zwanzig entkomme ich immer noch nicht dem Thema, das uns damals mit sechszehn beschäftigte. Auch in meiner Zeit als Studentin ist Sex oft immer noch ein unangenehmes Thema, vor allem, wenn es darum geht, wer noch keine Erfahrungen gemacht hat.
In der Schule war es mir total peinlich nicht mitreden zu können, wenn es um Sex ging, also log ich oder umging das Thema in Gesprächen mit meinen Peers. Mit achtzehn war ich eine der einzigen in meiner Clique, die noch keine Erfahrungen mit Sex gemacht hatte. Ich wollte ja eigentlich, aber wenn es dann doch so weit war, fühlte ich mich immer nicht bereit genug und wollte dann doch nicht mit dieser bestimmten Person so weit gehen. Oft war es für mich mit dem Gefühl verbunden nackt nicht schön auszusehen und nicht zu wissen was ich beim Sex „zu tun“ hätte. Zu Hause hatten wir keinen offenen Umgang damit und ein Aufklärungsgespräch von Seiten meiner Eltern fiel aus. Wir bekamen das obligatorische „Mein Körper“ Buch für Kinder und Jugendliche. An Nachfragen kann ich mich nicht erinnern, das wäre mir viel zu unangenehm gewesen. Allgemein kann es in der Entwicklung der persönlichen Sexualität sehr schädlich sein, das Gespräch um das eigene Verlangen zu tabuisieren. Zum einen geht es darum zu lernen, wie Safer Sex funktioniert und zum anderen ist es wichtig, um zu lernen wie eigene Wünsche, Vorlieben und Bedürfnisse kommuniziert werden können.
Mit meinem ersten Sexpartner fühlte ich mich zuerst sehr unbehaglich und eingeschüchtert von den Vorstellungen in meinem Kopf, die mir teilweise Film und Fernsehen vorlebten. Aufklärung und ein offener Umgang sind wichtig, besonders wenn es darum geht Mythen und verzerrte Bilder von Sex zu dekonstruieren. Pornografische Filme, die darstellen, dass die Frau allein zuständig dafür ist den Mann zu befriedigen und Bücher wie „Fifty Shades of Grey“ die uns glauben lassen wollen, dass uns ein Orgasmus durch Penetration gleich beim ersten Mal immer und immer wieder erwartet, sind irreführend und keine gute Repräsentation. Man müsse nur seine innere Göttin zum Vorschein treten lassen und der Rest ginge wie von selbst. Falsch!
Für mich war es wichtig „gut genug“ zu sein und ich habe mir größte Mühe gemacht ihn dabei in den Mittelpunkt zu stellen. Das Wichtigste in diesen Momenten war seine Befriedigung. Ich habe sehr lange dafür gebraucht mich auf meine eigene Lust einzulassen und mich beim Sex auch darauf zu konzentrieren was mir gefällt, ohne mir einzureden, dass es egoistisch sei.
Dabei habe ich für mich herausgefunden, dass ein Orgasmus durch Penetration erstmal eine Herausforderung sein kann und oft mit viel Arbeit verbunden ist – nicht nur von Seiten meines Sexpartners. Oft ist der Grund dafür, dass durch einfache Penetration der Höhepunkt nicht erreicht werden kann. Vielleicht verzichtest du gerne auf penetrativen Sex, weil es dich nicht erregt oder dir weh tut und konzentrierst dich viel lieber nur auf deine Klitoris. Ja – auch das ist „richtiger“ Sex. Wichtig ist es offen mit deinen jeweiligen Sexpartner:innen darüber zu sprechen und deine Wünsche zu äußern. Egal ob es Anweisungen sind oder vielleicht ein Abbruch der Intimität. Allein du entscheidest.
Hilfreich für das erstes Mal ist außerdem die Auseinandersetzung damit, ob und was sich für dich gut anfühlt. Masturbation kann dir dabei helfen deinen eigenen Körper kennenzulernen und herauszufinden was dir gefällt. Ob du dafür deine Finger nimmst oder ein Sextoy nutzt, ist vollkommen dir überlassen. Wenn du dich dazu entscheidest mit einer anderen Person sexuell aktiv zu werden, ist es wichtig eine sichere und angenehme Atmosphäre zu schaffen. Dazu gehört für mich ein offenes Gespräch mit meinem Partner oder meiner Partnerin darüber, welche Wünsche ich für mein »erstes Mal« habe. Es ist vollkommen in Ordnung und wichtig Sachen anzusprechen wie „das ist mein erstes Mal, sei bitte Vorsichtig“ oder „das gefällt mir nicht, ich möchte etwas anderes ausprobieren“. Denk immer daran, dass nicht alles sofort wie nach Plan läuft oder lustige Geräusche entstehen können – und das ist alles normal.
Rückblickend finde ich es überhaupt nicht schlimm „so lange“ gewartet zu haben. Trotzdem wünsche ich mir immer noch eine Befreiung der (vor allem weiblichen) Lust, die unerlässliche Selbstbestimmung und ein offenes Gespräch in dem sich jede:r wohlfühlt, egal ob erfahren oder unerfahren. Denn, warum wird eigentlich so ein großes Ding daraus gemacht?

Nastasja studiert im letzten Semester M. A. Global British Studies in Leipzig. In ihrer freien Zeit widmet sie sich ihrem Podcast, dem Schreiben und dem Fuß fassen im Journalismus. Ihre Hauptthematik dabei: Feminismus und Popkultur.
Ein Artikel von der Nastasja Kowalewski
Titelbild by Gaelle Marcel on Unsplash
Toller Artikel. Mir erging es damals ähnlich. Erst konnte ich nie mitreden und als ich das erste Mal dann hinter mir hatte, dachte ich nur irritiert: „Wie, das finden jetzt alle sooo super am Sex?“. Denn auch für ihn war es das erste Mal und entsprechend schnell und unspektakulär war dann auch alles wieder vorbei. Monatelange Sorge und Gedanken und dann war nach vielleicht 2 Minuten alles schon erledigt…
Inzwischen haben sich ein paar grundlegende Dinge in meinem Leben verändert. Und ich stand vor einigen Monaten im gewisser Weise erneut vor dem „ersten Mal“. Trotz meiner Erinnerung an das „erste“ erste Mal, meinen Erfahrungen aus den darauf folgenden ca. 15 Jahren und auch meinen Gedanken, die eigentlich voll mit deinen Übereinstimmen , war ich mindestens genauso verloren, wie damals.
Was aber definitiv sehr geholfen hat, war der offene Umgang mit meiner Partnerin, die mit meinen Ängsten und Zweifeln wirklich sehr sensibel umgegangen ist und mir diese letztendlich komplett nehmen konnte. Mit dem Ergebnis, dass das erste Mal mit ihr ein ganz außergewöhnliches Erlebnis war 🙂
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