Einmal Para machen.
Vier junge Berliner Frauen und beste Freundinnen auf der Suche nach dem großen Glück: Para – Wir sind King feiert ab 22. April auf TNT Serie Premiere.
Hajra (Soma Pysall), Rasaq (Roxana Samadi), Jazz (Jeanne Goursaud) und Fanta (Jobel Mokonzi) kommen aus mittelguten Verhältnissen. Groß geworden sind sie im – in bürgerlichen Kreisen gerne Problembezirk genannten – Wedding. Ihr Leben ist gefährlich und gewaltvoll: Es gibt keine helfende Hand, man muss selbst tätig werden, um klar zu kommen. Oder man geht feiern auf der Suche nach Glück. Auf dem Weg nach Hause ist Jazz noch zu drauf, um schlafen zu gehen und will sich beim Dealer ihres Vertrauens was zum runterkommen holen. Als er nicht ans Handy geht, kommt sie mit ihrer Girlgang einfach persönlich vorbei. Die Wohnung finden sie leer und aufgebrochen vor. Dealer und Drogen sind weg. Zum größten Teil. Der Schatz den Hajra findet, ist weiß.
Kokain im Wert von 10.000 Euro. Einfach so. Ohne Konsequenzen. Es gibt zwar zunächst geteilte Ansichten darüber, ob sie das Koks mitnehmen sollten, letztendlich sind nach einer Brandrede Hajras übers Streben nach Glück aber alle Beteiligten mit im Boot, auch wenn Rasaq sich gegen den aktiven Verkauf des Stoffs entscheidet. So ziehen sie zu dritt los und verticken in einem Club. Es ist eine schlechte Idee geklaute Drogen öffentlich und einzeln an viele Menschen zu verkaufen und nur eine Frage der Zeit, bis etwas schief geht…
Hajras Plan ist naiv und vor allem von großer Verzweiflung gezeichnet. Was ist das für eine Gesellschaft, in der Serien wie Para die Realität abbilden und damit schockieren? Wo man solch ein großes Risiko für Schuhe und Kleidung eingeht? Das macht nur jemand, der schon alle anderen Möglichkeiten durchgegangen ist und sich von diesem Schritt endlich Sorglosigkeit erhofft. Es ist eine Geschichte aus einem Land, das sich Sozialstaat nennt, aus einem der reichsten Länder dieser Erde. Wo Minderjährige die Pflichten ihrer Eltern übernehmen und lernen, dass sie sich selbst nur selbst schützen können, wo Menschen Kriminalität als einzige Chance im Kapitalismus sehen.
Para ist aufwühlend aber real. Die schauspielerische Leistung ist beeindruckend und auch auf die Erarbeitung der Szenen zurückzuführen: „Meine Erwartung an meine Schauspielerinnen war, Einfluss auf ihre Texte zu nehmen, indem sie in bestimmten Situationen vor laufender Kamera aufeinander natürlich reagierten. Dabei war es eben sehr wichtig, sich sehr intensiv mit ihren Rollen zu beschäftigen, damit sie die Haltungen ihrer Figuren ganz genau kannten“, erzählt Özgür Yildirim, „und um bestimmte Momente noch glaubwürdiger zu erzählen.“
Ein Mitspracherecht der Agierenden war auch deshalb so wichtig, weil ein erwachsener Mann Regie führte. Bei einer Geschichte über junge Frauen, sollten diese auch das Recht haben, mitzubestimmen.
Die Thematisierung von Sexismus und Rassismus erfolgt unterschwellig und nahezu beiläufig. Manchmal zu beiläufig. Ja, Yildirim hält nichts vom Moralisieren und so inszeniert er darum auch seine Filme und Serien. Die Auseinandersetzung der Jugendlichen mit den diskriminierenden Erfahrungen, die sie machen, wird nicht oder nur sehr begrenzt gezeigt. Es wird Platz geschaffen für die großen Filmklischees, den Kuss, die krasse Party, das zerstörte Hotelzimmer. Para macht auf Missstände aufmerksam, aber eben nur in gut verdaulichen Häppchen. Das Leben der Charaktere mag hart sein – sie sehen aber wahnsinnig gut beim Leiden aus.
Die Serie findet in der gleichen fiktiven Welt statt, in der auch 4 Blocks spielt und hält Easter Eggs und bekannte Gesichter für Fans bereit. Dieses Mal stehen Frauen im Fokus, junge Frauen, die große Hoffnung in die Welt setzen, die am Scheidepunkt zum Erwachsensein stehen. Trotzdem ist es keine romantisierende Coming of Age Story. Die Kindheit muss vorbei sein; für Fanta, Jazz, Hajra und Rasaq hat der Ernst des Lebens begonnen da wo andere noch ein Gap Year in Australien machen. Das ist die Realität. Und das ist verdammt hart.
Ein Text von Margarete Rosenbohm
Titelbild mit freundlicher Genehmigung von TNT-Serie, Christina Keppeler (Turner)
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