„Ich wünsche mir, dass uns mehr zugehört wird”

Ein Interview mit Sängerin und Aktivistin Lise-Christine Kobla Mendama, auch bekannt als QUEEN Lizzy, über Aktivismus, Schwarze Vorbilder und den gesellschaftlichen Umgang mit Rassismus.

Wie würdest du dich selbst in drei Worten beschreiben?
Lizzy: Zielstrebig, ehrgeizig und durchsetzungsvermögend.

Und was ist dein Ziel?
Lizzy: Als schwarze erfolgreiche Frau ein Statement zu setzen und somit eine Motivation und Inspiration für andere zu sein.

Wie gestaltet sich dein persönlicher Aktivismus?
Lizzy: Ich engagiere mich vor allem durch Empowerment der eigenen Community. Besonders wichtig ist mir dabei, für die jüngeren Generationen Events zu organisieren oder einfach durch die eigene Persönlichkeit zum Vorbild für Jüngere (vor allem schwarze Mädchen) zu werden, da diese langfristig gesehen am meisten an der Gesellschaft ändern können. Und ich nutze auch die vielen Möglichkeiten, die mir der Aktivismus bietet, um Reden, zum Beispiel im Rathaus, zu halten.

Apropros: Als Vertreterin der Afrojugend München hast du 2020 vor 25.000 Menschen auf der größten BLM-Demo Deutschlands in München eine Rede gehalten. Wie war das für dich?
Lizzy: Ich habe die Demo mitorganisiert und mir war von Anfang an klar, dass ich endlich gehört werden wollte. Es war nervenaufreibend und überwältigend, da anfangs nur 200 Leute angemeldet waren und dann plötzlich die 10-fache Anzahl dastand. Zudem haben mich auch funk und reporter [Anm. d. Redaktion: funk ist das Content-Netzwerk von ARD und ZDF, reporter ein Reportage-Format von funk] begleitet, weil sie eine Doku über mich und das Event gedreht haben. Das alles war damals sehr neu für mich.

Die Bewegung war ja auch – zumindest in den Dimensionen – neu in Deutschland. Hast du damit gerechnet, dass ein Jahr später kaum noch darüber geredet wird? Oder war da bei dir auch so ein Aufbruchsgedanke?
Lizzy: Ich habe schon damit gerechnet, allerdings bin ich dankbar, dass durch die Demonstrationen der Raum geöffnet wurde, um das Thema überhaupt erstmal medial aufzugreifen.

Es gibt ja auch immer wieder den Rechtfertigungsversuch, zu betonen, dass Rassismus in Deutschland längst nicht so ein großes Problem sei wie in den USA. Was geht dir durch den Kopf, wenn du das hörst?
Lizzy: Ich merke durch solche Aussagen nur, dass Deutschland noch sehr ignorant in Sachen Rassismus ist. Rassismus ist keine Tat, sondern ein Gedankengut, das sich in Taten zeigt, und die Rechtslage in den USA trägt dazu bei, dass dieses Gedankengut so animalisch ausgelebt werden kann. Wer weiß, wie es wäre, wenn die deutsche Rechtslage es auch zulassen würde.

Bist du in diesem Kontext eher zukunftsoptimistisch oder -pessimistisch?
Lizzy: Ich bin eher pessimistisch auf Deutschland eingestellt, solange die Kinder der NS-Verbrecher noch immer heutige Lehrer, Ärzte und Polizisten sind. Es wird oft vergessen, dass das alles noch nicht so lange her ist.

Was muss sich deiner Meinung nach ändern?
Lizzy: Ich wünsche mir, dass uns mehr zugehört wird und wir uns weniger rechtfertigen müssen. Deutschland sollte außerdem mehr präventive und nachhaltige Aufklärungsarbeit leisten, um vor allem in der Jugend eine Veränderung zu bewirken. Zum Beispiel sollte in der Schule mehr gelehrt werden als nur die Schattenseiten Afrikas und die traumatisierenden Erlebnisse in der Black History. Wenn man Kindern Gesamtzusammenhänge erklärt, wirkt man dem Klischee entgegen, Afrika sei „selbstverschuldet“ arm.

Was für eine Art von „Unterstützung“ hättest du dir während deiner Kindheit und Jugend gewünscht, wenn es um Rassismus-Erfahrungen ging?
Lizzy: Die Möglichkeit einer Therapie bei einer schwarzen Therapeutin wäre hilfreich gewesen – und mehr Gehör und Aufklärungsarbeit seitens akademischer Einrichtungen wie Schulen oder Universitäten.

Du hast vor Kurzem deine Single „Black Rolemodel“ veröffentlicht. Hast oder hattest du als Kind oder Jugendliche Schwarze Vorbilder?
Lizzy: Leider begrenzten sich meine schwarzen Vorbilder auf amerikanische Künstler:innen, deshalb war mir früh klar, dass ich selbst dieser Mensch für andere (junge) schwarze Menschen sein wollte, den ich damals gebraucht hätte.

Wie fühlt es sich für dich an, selbst eine Vorbildfunktion einzunehmen?
Lizzy: Normalerweise fühle ich mich einfach wie eine ganz normale 20-Jährige, aber in Situationen, wo meine Hautfarbe in den Vordergrund tritt, wird mir schnell bewusst, wen ich für viele Menschen in der Münchner BiPOC-Community darstelle. Ich fühle mich geehrt, wenn ich sehe, dass mir „Fans“ motivierende Nachrichten schreiben oder mir erzählen, dass ich sie inspiriere.

Was würdest du deinem jüngeren Ich mit auf den Weg geben, wenn du könntest?
Lizzy: Mach weiter so! Lass dir auch weiterhin nichts gefallen. Es tut weh, aber du musst da jetzt durch, um der vorbildliche und noch stärkere Mensch zu werden, der wir heute sind. Ich liebe dich!

[Anm. d. Red.: Lizzy hat sich in diesem schriftlichen Interview dazu entschieden, den Begriff „Schwarz“ klein zu schreiben.]

Das Interview führte Lena Toschke
Titelbild: Maíra Nascimento

Zurzeit studiert Lena Medizin in Münster, ihre Leidenschaft gilt jedoch vor allem dem Schreiben. Sie liebt Poetry Slams und beschäftigt sich viel mit Philosophie und feministischer Literatur.

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