Content Note: In diesem Beitrag geht es um sexuelle Übergriffe.
Habt ihr schon mal von dem Prinzip des Konsenses gehört? Ich muss zugeben, ich kenn‘s noch nicht so lange. Ich glaube, dass es mir das erste Mal begegnet ist, als ich mit einer befreundeten Person über Sex redete und von einer Situation erzählte, in der ich mit einem Cis-Mann schlief, welcher mir während des Sexes (es ging ein bisschen rough zu) eine Backpfeife gab – und ich komplett perplex war und dachte „Was war das denn jetzt? Find‘ ich nicht geil“. Ich brach ab und sagte ihm, dass sich das gerade nicht gut angefühlt hätte und meine Lust jetzt weg sei. Er entschuldigte sich (ehrlich gesagt, auch nicht so wirklich), wir redeten noch ein wenig und ich wollte eigentlich nur noch allein sein. Danach überlegte ich lange, ob ich sowas vorher hätte ansprechen sollen, so nach dem Motto „Hau mir gern auf’n Hintern, aber nicht ins Gesicht, danke.“
Besagte befreundete Person und ich sprachen also darüber und ich erzählte, dass ich es vielleicht gemocht hätte, wenn ich vorher gefragt worden wäre, was ich aber nicht wurde. Gleichzeitig meinte ich, dass ich es ja auch vorher hätte sagen können. Die befreundete Person sah mich entsetzt an und meinte „Wenn er das will, dann soll ER dich auch vorher fragen, ob du da Bock drauf hast. Konsens halt. So nach dem Motto: würde es dir gefallen, wenn ich dir nicht nur auf’n Hintern haue, sondern auch ins Gesicht?“.
Konsens?
Nach unserem Gespräch googelte ich und las verschiedene Artikel zum Thema Konsens. Konsens bedeutet, sehr vereinfacht, dass alle beteiligten Personen (mündlich) ihr Einverständnis für (sexuelle) Interaktionen geben. Sollte klar sein, oder? Dass Konsens aber im Alltag und auch im Sexleben vieler Menschen noch gar nicht „aktiv“ betrieben wird ist mir danach immer mehr aufgefallen. Auch ich selbst habe in Alltagssituationen und „Sexsituation“ (was ein Wort) gemerkt, dass da noch wesentlich mehr geht.
Um nochmal zu der Situation vom Anfang zurückzukommen: es hat ewig gedauert, bis ich mich nicht mehr dafür geschämt habe und verstanden habe, dass hier kein Konsens geherrscht hat.

Dann ist mir einige Monate später das Buch „Nur JA! Heißt Ja – Eine Anleitung zu sexuellem Konsens“ von Shaina Joy Machlus begegnet – zack, da war es wieder: KONSENS. Machlus hat mit dem Buch eine Grundlage geschaffen, auf welcher wir als Gesellschaft gemeinsam über Konsens sprechen können – nicht nur in Bezug auf sexuelle Handlungen, sondern auch in Bezug auf Alltagssituationen.
Das Buch ist in vier Teile aufgeteilt. Im ersten Teil werden Grundlagen zum Thema Geschlecht, Sex und Körper geschaffen. Themen wie Geschlechtsidentität, sexuelle Vielfalt und Orientierung und auch der Zusammenhang zwischen Körpern und Privilegien werden hier besprochen. Das ist vor allem hilfreich für Menschen, die sich zuvor noch nicht viel mit diesen Themen beschäftigt haben. Ein Kritikpunkt meinerseits ist, dass in dem Buch in deutscher Übersetzung immer wieder von „Vagina“ gesprochen wird, wenn es doch offensichtlich um die Vulva geht. Ein Fehler, der in deutschen Übersetzungen immer noch sehr oft reproduziert wird. Der zweite Teil liefert eine Anleitung zu sexuellem Konsens und im dritten Teil wird das Gelernte auch auf Konsens im Alltag übertragen.

Machlus schafft es, dass Thema des Konsenses als Ausgangspunkt für Diskussionen zu nehmen, die wir in unserer (westlichen) Gesellschaft immer noch zu wenig behandeln: beispielsweise Sex an sich. Sex ist nicht nur Penis und Vulva, Sex ist nicht nur Orgasmus, Sex ist nicht nur schnell oder langsam, hart oder weich – Sex ist ganz viel: lecken, schmecken, küssen, Berührungen, aber auch sprechen oder schreiben: Sexting zum Beispiel ;-).
Wichtig ist der Dialog
Immer im Vordergrund steht im Buch der Dialog: es ist wichtig, miteinander zu sprechen, vor und nach dem Sex und auch währenddessen. Wer da noch etwas schüchtern unterwegs ist: der vierte Teil des Buches gibt Gesprächsbeispiele und zeigt, wie über Konsens gesprochen werden kann – und dass Konsens sexy ist! Denn das ist es wirklich. Ich meine, was gibt es Schöneres, als eine Person zu fragen, ob du XY machen darfst oder ob XY der Person gefällt und du hörst ein enthusiastisches „JA!“?
Gleichzeitig wird auch aufgezeigt, dass es okay und völlig normal ist, auch „Nein“ zu sagen und dass ein „Nein“ auch in verschiedenen Formen kommen kann, weshalb ein enthusiastisches, klares „JA“ umso wichtiger ist. Im gleichen Moment ist es wichtig, dass wir den Raum für ein „Nein“ oder eben auch ein „Ja“ schaffen, beispielsweise durch Nachfragen. Wenn ich in der beschriebenen Situation gefragt worden wäre, hätte sich das anders entwickeln können – vielleicht hätte ich „Ja“ gesagt, vielleicht auch „Nein“, aber ich hätte mich sicher und gesehen gefühlt. Denn nur, wenn wir fragen, können wir wissen, ob es der Person gerade gut mit der Situation geht. Dabei wird auch klar: Nicht nur, wenn es um Sex und/oder Genitalien geht, ist Konsens wichtig. Auch, wenn du eine Person umarmen oder küssen oder Händchen halten willst oder oder oder. Frag nach Konsens (auch, wenn du die Person schon lange kennst). Konsens bedeutet auch Übung. Denn in unserer Gesellschaft wird uns vermittelt, dass über Sex, Intimität und Einverständnis wenig gesprochen wird und wenn doch bitte nur im Privaten.

Das Buch „Nur JA! Heißt Ja – Eine Anleitung zu sexuellem Konsens“ von Shaina Joy Machlus könnt ihr hier für 19,50€ online bestellen oder ihr findet es in ausgewählten Bibliotheken und dem Buchladen eures Vertrauens.
Ein Artikel von Lea Terlau
Bilder via The Gender Spectrum Collection, Zackary Drucker
Auch zum Thema Konsens, aber mit einer kritischeren Perspektive ist das Buch „Ja heißt Ja? Femnistische Debatten um einvernehmlichen Sex“ von Rona Torenz:
https://schmetterling-verlag.de/page-5_isbn-3-89657-162-1.htm
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