Klagen gegen Misgenderung und für Selbstbestimmung

René_ Rain Hornstein ist Mitglied der TIN-Rechtshilfe und seit vielen Jahren auf wissenschaftlicher und aktivistischer Ebene aktiv für eine trans*, inter* und nicht-binär gerechtere Gesellschaft. Warum René_ einen Gerichtsprozess gegen die Deutsche Bahn geführt hat und was René_ von den kürzlich vorgestellten Eckpunkten für das neue Selbstbestimmungsgesetz hält, erfährst du im Interview.

.divers: Du hast 2 Jahre lang einen Gerichtsprozess gegen die Deutsche Bahn geführt. Am 21.6.22 hat das Oberlandesgericht Frankfurt am Main ein Urteil zu deinen Gunsten verkündet. Warum hast du dir diesen langen Prozess angetan und was genau wurde entschieden?

René_ Rain Hornstein: Ich bin trans* und nicht-binär. Wenn ich online ein Bahnticket kaufen möchte, muss ich zwischen den Optionen „Herr“ oder „Frau“ auswählen. Ich werde also zwangsläufig misgendert (Verwendung falscher Personalpronomen, beziehungsweise einer geschlechtlichen Anrede, die nicht mit der Geschlechtsidentität der angesprochenen Person übereinstimmt – Anm. d. Red.). Seit fünf Jahren ist die dritte Geschlechtsoption „divers“ erkämpft worden. Es kann nicht sein, dass nicht-binäre Menschen immer noch tagtäglich bei der Nutzung von Dienstleistungen von Unternehmen diskriminiert werden. Die Deutsche Bahn ist da leider kein Einzelfall aber irgendwo muss mensch anfangen. Mir ist dabei wichtig zu betonen, dass ich nicht sofort gegen die Bahn geklagt habe, sondern sie mehrmals auf ihre misgendernden Handlungen hingewiesen habe. Ich habe mir die Zeit genommen, um zu erklären, warum ich dadurch verletzt werde und habe darum gebeten, das zu unterlassen. Weil meine Bitten ignoriert wurden, habe ich beschlossen zu klagen.
Das Gericht hat für diese Persönlichkeitsrechtsverletzung eine Entschädigung von 1.000€ mir gegenüber festgelegt. Zudem wurde die Bahn dazu aufgefordert, mit sofortiger Gültigkeit alle Misgenderungen meiner Person in Tickets, Rechnungen und Newslettern abzustellen. Wenn sie dieser Forderung nicht nachkommt, droht für jede Misgenderung ein Ordnungsgeld bis zu 250.000€ ans Gericht. Außerdem muss sie bis zum 01.01.23 allen Kund*innen ermöglichen, in Newslettern, Briefen und auf Tickets geschlechtsneutral angesprochen zu werden.

Wie geht es dir jetzt? Was ist in den letzten Wochen in Bezug auf das Gerichtsurteil passiert?

Meinem Verständnis nach ist das Urteil bei Verkündung rechtskräftig geworden und das ist für mich emotional total wichtig. Diese Rechtskraft löst bei mir so ein emotionales Aufatmen und eine Befriedigung aus. Ich habe das Gefühl, mir wurde Gerechtigkeit getan.
Ich werde seitdem nach wie vor in Newslettern und beim Ticketkauf von der Bahn misgendert und das fühlt sich zwar immer noch schlecht an, aber irgendwie besser, weil das Gericht entschieden hat, dass das nicht rechtens ist. Ich sammele diese misgendernden Aktionen, in der Hoffnung, dass es dafür Strafen gibt, die die Bahn nachträglich zahlen muss.

Ich erhoffe mir eine Verschiebung im gesellschaftlichen Diskurs, dass weniger diskutiert wird, ob die Rechte von TIN-Menschen berücksichtigt werden sollen, sondern mehr darüber wie sie gewährleistet werden.

René_ Rain Hornstein

Außerdem gibt es seit dem Urteil so eine immense Aufmerksamkeit in den verschiedenen Medien. Ich habe sehr viele Interviews gegeben und mit jeder Berichterstattung kam leider auch eine Welle von Hass, die ich dann managen musste, was super anstrengend war. Mich belasten und verfolgen die erlebten Anhörungen definitiv noch und ich träume manchmal von ähnlichen Situationen vor Gericht.
Es melden sich auch viele Leute, die sich von mir Rechtsberatung und Hilfe wünschen. Das finde ich anstrengend, weil ich das gar nicht bewältigen kann. Wenn Leute Rechtsberatung wollen, möchte ich sie bitten, das nicht an mich zu richten, sondern an die TIN-Rechtshilfe (TIN steht für trans*, inter* und nicht-binäre Menschen – Anm. d. Red.)
Das emotional Schönste wiederum ist, dass mir seitdem viele Leute gratulieren und sich freuen. Ich habe das Gefühl, dass seitdem mehr Leute den Mut haben, sich zu beschweren, wenn sie misgendert werden und dagegen vorzugehen. Dass dieses Urteil eine Grundlage für andere Leute ist, sich mehr für ihre Rechte einzusetzen und mehr zu kämpfen, ist das Beste an dieser ganzen Geschichte!

Verknüpfst du noch andere Hoffnungen an die mediale Reichweite?

Ja, meine Hoffnung ist, dass viele andere Unternehmen und Organisationen schauen, welche Praxen sie haben, bei denen es um Anreden oder generell um Geschlecht geht und dass sie diese Praxen verändern, damit sie inklusiver für trans*, inter* und nicht-binäre Menschen sind. Ich erhoffe mir eine Verschiebung im gesellschaftlichen Diskurs, dass weniger diskutiert wird, ob die Rechte von TIN-Menschen berücksichtigt werden sollen, sondern mehr darüber wie sie gewährleistet werden. Was muss sich gesellschaftlich verändern, um die Umsetzung unserer Rechte zu gewährleisten? Ich erhoffe mir ein Umdenken und einen Umbau in der Gesellschaft.

Wie wurde Misgenderung bisher im deutschen Rechtssystem verhandelt?

Im deutschen Rechtssystem wurde das Thema falsche Anrede von feministischen Juristinnen, die sich in einer Aktion 1974 in Hamburg gegen die Anrede „Fräulein“ gewehrt haben, zum ersten Mal gesetzt. Das kann als eine diskriminierende, geschlechtsbezogene Anrede gesehen werden, wobei es nicht das ist, was wir heute als Misgenderung im engeren Sinne verstehen.
Darüber hinaus gab es das sogenannte „Sparkassen-Urteil“ des Bundesgerichtshof vor ein paar Jahren, das die Beschwerde einer Klägerin gegen generische maskuline Anreden in allgemeinen Werbebriefen einer Sparkasse abwies. Leider ging sie hier nicht in Berufung, was viele Aktivist*innen schade fanden. Das Urteil zu meinem Fall kann als positive Antwort auf das Sparkassen-Urteil verstanden werden, sodass sich jetzt gegen generisch männliche Anreden gewehrt werden kann. Außerdem gibt es viele Versuche von binären trans* Personen sich gegen Deadnaming („Deadname“ bezeichnet den abgelegten, alten Vornamen einer trans* Person, der meist bei der Geburt gegeben wurde. Anm. d. Red.) und Misgenderung zu wehren, prominent ist hier aktuell z.B. Tessa Ganserer, die grüne Bundestagsabgeordnete.
Es hat in den letzten zwei, drei Jahren auch andere Verfahren von nicht-binären Menschen gegeben, sich gegen binären Anredezwang in Onlinegeschäften zu wehren. Mein Urteil ist eins von zwei recht weitgehenden hierzu. Ein anderes Urteil des Oberlandesgericht FFM – auch gegen die Bahn – ist derzeit beim Bundesgerichtshof anhängig. In diesem anderen Urteil wurde der Bahn auch eine enge Frist gesetzt, ihre Software umzustellen. Meines Wissens nach wurde aber kein Schmerzensgeld verhängt, wie in meinem Verfahren.

Ich wünsche mir, dass die Gesellschaft einen Konsens ausbildet, dass Misgenderungen realen, emotionalen Schmerz und Leiden bedeuten.

René_ Rain Hornstein

Generell wird Misgenderung häufig trivialisiert und gesagt, wenn wir keine bösen Absichten haben dann ist es nicht schlimm – so hat die Bahn auch argumentiert. Das Gericht hat eindeutig festgestellt, dass das unterlassen werden soll und sonst eine Strafe zu zahlen ist. Ich wünsche mir, dass die Gesellschaft einen Konsens ausbildet, dass Misgenderungen realen, emotionalen Schmerz und Leiden bedeuten.

Du hattest Hass als direkte Auswirkung deiner medialen Präsenz angesprochen. Was hast du für einen Umgang damit gefunden und was würdest du anderen Menschen, die von Hass im Internet betroffen sind, raten?

Ich empfehle, dass Menschen sich Unterstützungsgruppen für die Verwaltung von Online-Hate aufbauen. Außerdem sollten Angebote genutzt werden, die Hate strafrechtlich verfolgen, zum Beispiel Hateaid. Vor allem aber solltet ihr gut nach euch schauen. Das heißt, Postfächer, in denen Hate sein könnte, nur zu bestimmten Zeiten aufzumachen oder nur in Begleitung oder am besten selber gar nicht zu lesen.
Was mir sonst hilft ist das Bild des Spiegels der Medusa: Der versteinernde Blick der Medusa, also die Gewalt, die von den Hater*innen ausgeht, wird durch den Spiegel auf sie selbst zurückgelenkt. Die Hassworte sind dann nicht mehr Aussagen über mich, sondern Aussagen über die, die bereit sind, sie auszusprechen. Sie erscheinen dadurch hässlich und gewaltvoll und verdeutlichen mir, dass bei denen gerade ein Problem vorliegt und nicht bei mir.

Ich würde dir gerne auch Fragen zu den kürzlich vorgestellten Eckpunkten der Bundesregierung zum neuen Selbstbestimmungsgesetz stellen. War das reiner Zufall, dass das so kurz nach Urteilsverkündung deines Prozesses gegen die Deutsche Bahn passiert ist?

Ja! Das war am letzten Tag vom Pride Month. Ich glaube aus Sicht der Regierung war es wichtig, noch im Rahmen des Pride Months etwas dazu zu sagen. Beide Aussagen vom Urteil und der Bundesregierung gehen in die gleiche Richtung: Sie besagen, dass die gegenwärtigen Regelungen und Praxen zu verletzend und demütigend sind und TIN-Rechte nicht genug achten. Deshalb muss sich was ändern!

11 nebeneinanderstehende Menschen in städtischer Umgebung halten Transparente und Schilder in die Höhe und schauen in die Kamera
Anhörung René_ Rain Hornstein gegen Deutsche Bahn, 31.05.22 Frankfurt a. M. (C) TIN Rechtshilfe

Wie hast du dich gefühlt, als du die Eckpunkte zum ersten Mal gehört hast?

Ich hab sie das erste Mal über einen Lautsprecher auf einem Gehweg vor der Bundespressekonferenz sitzend gehört. Da habe ich nicht viel gedacht, sondern mich einfach nur gefreut und gejubelt, vor allem darüber, dass jahrelange Forderungen der TIN-Community umgesetzt wurden. Mittlerweile denke ich, dass es ein komplexes Papier ist, was viele Maßnahmen umfasst, von denen ich nicht glaube, dass es mit nur der Änderung eines einzigen Gesetzes getan ist.
Einerseits soll durch das Selbstbestimmungsgesetz das Transsexuellengesetz abgeschafft werden. Andererseits soll es ein einheitliches Gesetz geben, das die Änderung von Vorname und eingetragenem Geschlecht im Personenstandsregister für alle Personengruppen, egal ob trans*, inter* oder nicht-binär regelt. Das heißt auch, dass das Personenstandsgesetz reformiert werden muss, weil im Personenstandsgesetz geregelt ist, wie inter* Menschen juristisch transitionieren können. („Transition bezeichnet alle geschlechtsbezogenen Änderungen, die trans* Personen in ihrem Leben vornehmen.“ Anm. d. Red.)

Was findest du gut an den vorgestellten Eckpunkten?

Das wichtigste ist erstmal, dass das Selbstbestimmungsgesetz das über 40 Jahre alte, trans* feindliche und diskriminierende Transsexuellengesetz ersetzen soll. Es ist großartig, dass alle Erwachsenen eine Erklärung beim Standesamt abgeben können und dann Namen und Geschlechtseintrag ändern lassen können. Darüber hinaus begrüße ich, dass die Beratungsstrukturen für TIN-Personen ausgebaut werden sollen und stärker finanziert werden sollen. Das ist wichtig, weil der Beratungsbedarf steigt!

Gibt es Aspekte in den Eckpunkten, die du kritisch siehst?

Kritisch sehe ich, dass für Menschen unter 14 Jahren die Sorgeberechtigten die Änderung beantragen müssen. Von Selbstbestimmung von Kindern kann keine Rede sein. Es gibt Kinder, die sehr jung schon sagen, dass sie ein Mädchen oder ein Junge oder keins von beidem sind und lieber einen anderen Namen und andere Kleidung haben wollen. Wenn sie so was sagen, können sie auch informiert werden darüber, wie eine Namensänderung formal abläuft. Das kann ihnen erklärt werden und sie müssen daran beteiligt werden. Bei den Minderjährigen ab 14 ist es so, dass sie das nur mit Zustimmung der Sorgeberechtigten ändern können. Die Regelung für beide minderjährige Altersgruppen wird der Selbstbestimmung vieler Jugendlicher nicht gerecht und ich halte sie für adultistisch (leitet sich vom engl. Begriff „adult“ für „erwachsen“ ab und bezeichnet die Herabsetzung von Kindern durch Erwachsene aufgrund ihres Alters. Anm. d. Red.). Es gibt so etwas, das nennt sich Religionsmündigkeit. Das heißt, Jugendliche können ab 14 Jahren entscheiden ihre Religionszugehörigkeit zu ändern. Da braucht es auch nicht die Sorgeberechtigten zu und genau so sollte es auch mit dem Namen und dem Geschlechtseintrag gelten. Viele Verbände fordern eine Geschlechtsmündigkeit ab 14! Stattdessen sehen die Eckpunkte der Regierung bei Konflikten zwischen Sorgeberechtigten und Jugendlichen ab 14 vor, dass die Familiengerichte entscheiden.

Es muss sich von Seiten des Staates bei trans* Menschen und allen anderen, die die Maßnahmen des Transsexuellengesetzes in Anspruch nehmen mussten, entschuldigt werden, aber es muss auch Entschädigungszahlungen geben!

René_ Rain Hornstein

Weniger beachtete Aspekte im Eckpunktepapier sind einerseits die Anerkennung, dass es sich um Unrecht gehandelt hat, wie Menschen bisher transitionieren mussten. Das Transsexuellengesetz in seiner Konstruktion hatte zum Ziel, gleichgeschlechtliche Ehen zu verhindern und auch zu verhindern, dass trans* Menschen Kinder bekommen und sich reproduzieren. Dementsprechend wurde ein Scheidungsgebot und eine Sterilisationsvoraussetzung in das Transsexuellengesetz eingebaut. Bis 2008 mussten sich Leute in Deutschland vor ihrer Namensänderung scheiden lassen und bis 2011 mussten sie sich sterilisieren lassen. Mit dem Sterilisationsgebot war auch ein Operationszwang einhergehend, das heißt Menschen mussten auch geschlechtsangleichende Maßnahmen durchführen, um dem binären Identitätsgeschlecht möglichst ähnlich zu sehen. Diese Regelungen wurden durch Klagen von trans* Personen, die bis zum Verfassungsgericht gegangen sind, gekippt und nicht durch Erkenntnisse seitens der Gesetzgeber*innen. Die Eckpunkte erkennen das in gewisser Weise an, aber aus meiner Sicht zu schwach. Es wird von Anerkennungsleistungen gesprochen, aber es sollte eher von Entschädigungsleistungen gesprochen werden. Es muss sich über die anvisierten Zahlungen hinaus von Seiten des Staates bei trans* Menschen und allen anderen, die diese Maßnahmen in Anspruch nehmen mussten, entschuldigt werden! In Schweden zum Beispiel, wo es ein ähnliches Transsexuellengesetz gab, wurde ein Fonds aufgesetzt, um Betroffene zu entschädigen und dort hat sich auch das Staatsoberhaupt bei trans* Menschen für das staatlich begangene Unrecht entschuldigt.

Gut, dass du Schweden ansprichst! In insgesamt 12 anderen Ländern, gibt es schon ein vergleichbares Selbstbestimmungsgesetz. Kannst du das in ein Verhältnis zu den vorgestellten Eckpunkten setzen?

Also die besten Gesetze gibt es in Argentinien und Malta. In Argentinien wurde schon vor über 10 Jahren ein Selbstbestimmungsgesetz eingeführt, wenn auch ohne Berücksichtigung von nicht-binären Menschen. Was ich gerade in Deutschland wahrnehme ist nicht total schlecht, aber zum Beispiel gibt es in Argentinien auch eine Beschäftigungsquote, sodass Unternehmen soundso viel Prozent ihrer Stellen an trans* Personen geben müssen. Zudem gibt es eine Trans* Beauftragte in der Regierung. Also, da geht noch was (lacht). Auf Malta wurden die Rechte von intergeschlechtlichen Menschen außerdem noch besser umgesetzt und TIN-Rechte insgesamt in vielen verschiedenen Rechtsbereichen verbessert.

Bedeutet die aktuelle mediale Aufmerksamkeit, dass wir gerade so etwas wie einen gesamtgesellschaftlichen Wandel hin zu mehr Sichtbarkeit und einem Bewusstsein für die Rechte von TIN-Menschen erleben?

Ich würde noch hinzufügen, dass zwischen Urteilsverkündung und den Eckpunkten eine Petition für respektvolle Berichterstattung seitens der Medien über trans* Themen gestartet wurde. Es ist total wichtig, dass es diese Petition mit ihren sechs Forderungen gibt, mithilfe derer die Berichterstattung eingeordnet werden kann. Das heißt es gibt auch eine sachliche, fundierte, an nachvollziehbaren Maßstäben ausgerichtete Kritik an den Medien, die artikuliert werden kann.

Aber denkst du, die Art, wie gesamtgesellschaftlich über TIN-Rechte gedacht wird, ändert sich maßgeblich, wenn die Eckpunkte Gesetz werden sollten?

Das ist so eine Frage danach, wie genau ich glaube, dass sich Einstellungsänderungen vollziehen. Der Autor Ibrahim X. Kendi würde sagen: Ja! Erst strukturelle Veränderung auf politischer Ebene und dann individuelle Einstellungsänderungen. Das lässt sich teilweise für die deutsche Bevölkerung belegen. Aber es ist auch so, dass beispielsweise die „Ehe für alle“ in der deutschen Bevölkerung schon einen großen Rückhalt hatte, als sie eingeführt wurde und der Rückhalt gleichzeitig seit ihrer Einführung nochmal deutlich gestiegen ist. Analog gehe ich davon aus, dass wenn sich gewichtige Akteur*innen wie Justizminister und Familienministerin des Bundes hinter trans* Rechte stellen, dadurch eine mehr oder weniger positive Berichterstattung erfolgt und sich daraufhin auch Einstellungen ändern. Ich glaube, dass ein großer Teil der Gesellschaft die Gesetze und Verfassungsurteile zu TIN-Themen nicht wahrnimmt. Sonst könnte es nicht sein, dass im Jahr 2022 die Deutsche Bahn immer noch Gerichtsprozesse führt und in die Länge zieht, damit sie keine geschlechtsneutrale Anrede einführen muss obwohl wir seit 2017 ein Urteil haben, das sagt, dass nicht-binäre Rechte zu achten sind.

Welche direkten Auswirkungen hätte es auf dein privatesLeben, wenn die Eckpunkte jetzt genauso gesetzlich verankert werden würden?

Ich glaube, ich würde dann juristisch transitionieren, also meinen gesetzlichen Namen und meinen gesetzlichen Geschlechtseintrag ändern. Ist die Frage, ob der Staat das so akzeptiert wie ich das ändern will, aber mal gucken (lacht).

Wie meinst du das?

Der Unterstrich.

Zu Sonderzeichen im Namen steht nichts in den Eckpunkten, richtig?

Das hat niemand auf dem Schirm. Ich kenne verschiedene trans* Personen mit Sonderzeichen im Vornamen zum Beispiel eine Person mit einem großen Buchstaben als Teil des Namens in der Mitte, eine Person mit einem Sternchen am Ende, eine Person mit einem Apostroph im Namen. Let’s see!

Okay, letzte Frage! Was sind deine nächsten Schritte und deine angepeilten Ziele in Bezug auf TIN-Aktivismus?

(lachend) Soll ich spoilern oder was?

Ja gerne!

Die TIN-Rechtshilfe will ich zu einer schlagkräftigeren Organisation mit eingestelltem Personal ausbauen. Wichtig ist mir weiterhin, zu schauen, in welchen gesellschaftlichen Bereichen geschlechtsneutrale Anreden noch nicht umgesetzt werden. Ansonsten möchte ich solidarisch-kritisch die Gesetzgebungsoffensiven in den nächsten Monaten begleiten, sowohl Selbstbestimmungsgesetz als auch Abstimmungs- und Eherecht und ich möchte gerne TIN-Menschen mehr miteinander vernetzen. Anscheinend belebt sich zudem gerade die AG Trans*emanzipatorische Hochschul-Politik wieder, die jetzt lange inaktiv war. Das finde ich toll und will das gerne unterstützen.
Auch will ich diskursiv darauf hinwirken, dass trans*feindliche Positionen aus dem Mainstream gedrängt werden, sodass sie da keinen Platz haben und nicht geduldet werden. Das erfordert viel Kritik und Artikulation und ich hoffe, auf viele weitere Publikationen und Medienbeiträge dazu!

Ein Interview von Jasper von Römer
Titelbild mit freundlicher Genehmigung von René_ Rain Hornstein, Foto © by Meike Watzlawik


René_ lächelnd frontal vor grüner Hecke bis oberhalb der Brust abgebildet
René_ Rain Hornstein, Foto © by Meike Watzlawik

René_ Rain Hornstein, Pronomen em/ems, 35 Jahre alt, promoviert in Psychologie in Berlin und macht ehrenamtlich viel Aktivismus für trans*, inter* und nicht-binäre Menschen. Nebenberuflich spielt und komponiert René_ Musik und unterrichtet zu TIN-Themen.
Folgt René_ auf Twitter oder besucht ems Website für weitere Infos!

Kommentar verfassen

Trage deine Daten unten ein oder klicke ein Icon um dich einzuloggen:

WordPress.com-Logo

Du kommentierst mit Deinem WordPress.com-Konto. Abmelden /  Ändern )

Twitter-Bild

Du kommentierst mit Deinem Twitter-Konto. Abmelden /  Ändern )

Facebook-Foto

Du kommentierst mit Deinem Facebook-Konto. Abmelden /  Ändern )

Verbinde mit %s

Bloggen auf WordPress.com.

Nach oben ↑

%d Bloggern gefällt das: