Geschlechtlichkeit – oder warum die Trennung von Geschlecht und Gender problematisch ist

CN (Content Notification): Gender, Geschlecht, Feminismus, Soziologie, Biologie, trans*, trans*Feindlichkeit, Bioessentialismus

Ich bin trans*[1]. Eine Realität, die zu erfahren, zu erleben und mir selbst zu erlauben mich einiges an Nerven und Kraft gekostet hat. Mittlerweile bin ich jedoch an dem Punkt angekommen, an dem ich gerne über mich sage, ich bin trans*. Denn das heißt für mich nicht nur, dass ich eine Antwort auf eine Frage gefunden habe, die ich lange Zeit mir selbst nicht zu stellen getraut habe, sondern auch, dass ich gelernt habe, meinen eigenen Vorurteilen und angelernten Fehlannahmen über mich selbst und die Rolle von Geschlechtern in der Gesellschaft zu begegnen. An die Stelle von sozialisiertem und tradiertem Wissen erlaube ich mir selbst auf mich zu hören, wenn es um die Frage geht, wer ich bin. Und trotzdem muss ich mir immer wieder aufs Neue anhören, dass ich ja „eigentlich ein Mann“ oder „biologisch männlich“ sei. Aussagen, die mich einerseits tief verletzen, andererseits auf eine Norm verweisen, die meine eigene Expertise über meine gelebte Realität nicht anerkennt. Aber woher kommt die Trennung zwischen meinem Leben als nichtbinäre[2] trans*Frau und meiner angeblich „eigentlichen Biologie“?

Die derzeitige Debatte kennt die Trennung zwischen „Geschlecht“ und „Gender“. Geschlecht beschreibt dabei körperliche Eigenschaften. In der tradierten Wahrnehmung von Geschlecht gibt es dabei nur zwei Optionen: männlich und weiblich. In Diskussionen wird mir dann häufig begegnet, mit dem Argument, dass mensch ja wisse, dass ich ein Mann sei, schließlich habe ich einen Penis. Wie das im alltäglichen zwischenmenschlichen Kontakt oder in Facebook Kommentarspalten festgestellt werden kann, ohne einen Blick in meine (Strumpf-)Hose zu werfen – diese Frage stelle ich mir immer wieder. Aber unabhängig davon gehen die meisten Menschen von der Fehlannahme aus, dass sich körperliches Geschlecht anhand von Genitalien eindeutig einorden ließe, das sei schleißlich Wissenschaft.

Die „Wissenschaft“, besser gesagt, das Wissen über die menschliche Anatomie entwirft mittlerweile jedoch ein weitaus differenzierteres Bild von Geschlecht, als das binäre Penis/Vagina System, das den selbsterklärten Wissenschaftler*innen geläufig ist, die mich darüber aufklären wollen, was ich eigentlich bin. Körperliche Eigenschaften in Bezug auf Geschlecht umfassen natürlich primäre Geschlechtsorgane, also beispielsweise einen Penis, aber auch interne Organe wie die Prostata oder die Gebärmutter. Diese sind in der Regel nicht auf den ersten Blick sichtbar, da wir uns weder nackt, noch mit Röntgenblicken im Alltag begegnen. Was im alltäglichen zwischenmenschlichen Kontakt sichtbar ist, sind die sogenannten sekundären äußeren Geschlechtsmerkmale. Gesichts- und Körperbehaarung, die Stimmlage nach abgeschlossener Pubertät, die Körperfettverteilung sind einige dieser Merkmale. Genitalien und sekundäre Geschlechtsmerkmale schließen die Einordnung des biologischen Geschlechts jedoch nicht ab. Die Hormonzusammensetzung unseres Körperhaushaltes spielt dabei auch eine wichtige Rolle. Jeder Körper produziert die Sexualhormone Östrogen und Testosteron, sowie einige andere sekundäre Sexualhormone in verschiedenen Verhältnissen zu einander. Dazu kommen noch die Keimdrüsen oder Gonaden – die als Hoden, Eierstöcke, innere Hoden oder weder als Hoden, noch als Eierstöcke vorkommen können – und unsere genetischen Anlagen in Form von Chromosomen.

All diese Faktoren sind in der menschlichen Natur in einer unglaublichen Variabilität vertreten und von zwei eindeutigen Kategorien zu sprechen ist vor der schieren Vielfalt möglicher Ausprägungen dieser körperlichen Eigenschaften nett ausgedrückt eine grobe Vereinfachung und offen gesagt eine glatte Lüge, die die Vielfalt menschlicher Existenz verschweigt. Nicht alle Menschen mit Penis haben beispielsweise einen Bart, eine Person mit Vagina entwickelt nicht zwingend Brüste in ihrer Pubertät, dafür vielleicht einen Damenbart und so weiter. Menschen sind nicht nach Bauplan gefertigt, sondern buchstäblich divers – das angeblich eindeutige biologische Geschlecht existiert auf einem Spektrum. Und auf diesem Spektrum gibt es schleißlich nicht nur zwei Optionen, sondern eben auch Menschen außerhalb eindeutiger Kategorien – so wie intersex*Personen[3]. Lediglich eine, der beschriebenen Kategorien ist im zwischenmenschlichen Kontakt tatsächlich beurteilbar – die sekundären äußeren Geschlechtsmerkmale. Währenddessen bleibt uns ein Bilck in die innere Anatomie, die Hormondrüsen, das Genom und die Hosen von Gesprächsparter*innen in der Regel verwehrt.

Menschen sind nicht nach Bauplan gefertigt, sondern buchstäblich divers – das angeblich eindeutige biologische Geschlecht existiert auf einem Spektrum.

Das bringt mich zur zweiten Komponente geschlechtlicher Kategorisierung – der gesellschaftliche Aspekt. Gender, oder das sogenannte soziale Geschlecht bezieht sich auf die Weise, wie Menschen miteinander umgehen und sich gegenseitig wahrnehmen. Gender ist dass, was mir eine Person im zwischenmenschlichen Kontakt präsentiert und das, was ich dabei wahrnehme. Das steht natürlich im engen Zusammenhang mit der Ausprägung sekundärer anatomischer Geschletsmerkmale, die das Erscheinungsbild von Personen maßgeblich prägen. Aber Gender ist auch Kleidung, Make Up, Körpersprache, Frisur. Und mehr als das, Gender ist unser in unserer jeweiligen Gesellschaft ein tradiertes Verständnis davon, wie all diese Expressionen zu verstehen sind. Gender funktioniert wie ein Text, den eine Person über sich selbst schreibt und den ihr Gegenüber liest und interpretiert. Das heißt einerseits, dass mein Audruck innerhalb einer Gesellschaft nichts Festgelegtes ist. Ich habe die Möglichkeit zu entscheiden, wie ich mich kleide, welche Frisur ich trage.

Das heißt aber auch, dass mein Gender immer davon abhängt, wie ich von anderen gelesen werde. Und das obliegt nicht zu 100% meiner Kontrolle. Einerseits wird, wie bereits erwähnt, meine Präsentation immer mit meinen körperlichen Vorraussetzungen zusammen wahrgenommen. Andererseits gibt es Eigenschaften, die die Gesellschaft und die Kultur in der wir leben mit verschiedenen Geschlechtern assoziiert. Ein lautes forsches und selbstbestimmtes Auftreten gilt als maskulin, dagegen sind eine weiche Körpersprache, Höflichkeit und Zurückhaltung zum Beispiel feminin konnotiert. Die Codierung darüber, was wie interpretiert wird ist in unserer jeweiligen Gesellschaft unfassbar tief verwurzelt und uns in der Regel in alltäglichen Interaktionen gar nicht bewusst. Meine Erfahrung in einem Jahr sozialer Transition ist maßgeblich von einer Bewusstwerdung davon geprägt, wie unfassbar viele Verhaltensweisen, Umgangsformen und minimale Ticks geschlechtsbezogen interpretiert, also gegendert sind.

Diese sozialen Ebene menschlichen Miteinanders ist omnipräsent. Was viele Menschen nicht verstehen, wenn sie auf mein biologisches Geschlecht verweisen, ist, dass wir keine „biologischen“ Wesen sind. Wir sind soziale Wesen. Jede unserer Interaktionen ist sozial geprägt. Es gibt in unserer Gesellschaft keine Situation, in der wir auf eine imaginierte „rein biologische“ Ebene des Miteinanders reduziert werden können, da unser gesamtes Verständnis von uns selbst als Menschen und damit von uns als geschlechtliche Wesen auf sozialen Konstruktionen beruht. Und um dem Missverständnis vorzubeugen, eine soziale Konstruktion heißt nicht, eine Sache ist ausgedacht. Soziale Konstruktionen sind Vereinbarungen der Mitglieder einer Gemeinschaft, die unausgesprochen vorhanden sind und dadurch unsere Wahrnehmung von uns und der Welt prägen. Dass eine Familie aus zwei Eltern und Kindern besteht ist eine soziale Konstruktion, die in anderen Teilen der Erde anders gestaltet ist. Aber sie ist nichtsdestotrotz in unserem Entwurf der Idee von Familie existent und funktioniert (manchmal).

Was viele Menschen nicht verstehen, wenn sie auf mein biologisches Geschlecht verweisen, ist, dass wir keine „biologischen“ Wesen sind. Wir sind soziale Wesen.

Genau so verhält es sich mit dem Verständnis von Geschlecht. Die meisten sind der Meinung, die Natur habe Menschen anhand der oben aufgeführten Charakteristiken menschlicher Körper als cis[4] Mann und cis Frau vorgesehen. Die Natur und die Evolution hat jedoch nirgends aufgeschrieben, dass Menschen als cis Mann und cis Frau existieren sollten. Diese vereinfachte Einteilung ist ein sprachlicher Entwurf, der die chaotische Vielfalt natürlicher Entwicklung klassifizieren soll. Biologisches Geschlecht, letztlich die gesamte Biologie ist eine Vereinbarung, die dazu dient Dinge zu benennen, um sie verständlich zu machen. Geschlecht ist eine soziale Konstruktion. Eine Konstruktion, die sich nach einem Trend menschlicher Erscheinungsformen orientiert, die trotz allem wesentlich mehr als zwei strikte Kategorien aufweisen.

An dieser Stelle wird mir meistens entgegnet, dass das ja schön und gut sei, dass diese Weise der Einordnung in zwei Gruppen letztlich aber doch funktiniere, sich bewährt habe und deshalb beizubehalten sei. Schleißlich seien Biolog*innen Expert*innen in ihrem Fachgebiet und ihr Wissen übersteige das meine. Dabei wird häufig die Biologie als Naturwissenschaft heranzitiert, die unumstößliche Fakten schaffe. Die Biologie ist jedoch nur eine Wissenschaft, die die Untiefen menschlicher Existenz zu ergründen sucht. Soziologie und Psychologie sind zwei weitere Wissenschaften, die sich damit beschäftigen und alle drei bringen immer wieder aufs Neue wichtige Erkenntnisse hervor, die veraltete „Fakten“ widerlegen, aktualisieren oder neu interpretieren. So ist der aktuelle Stand der Forschung an den Punkt angelangt, dass äußere Einflüsse, wie die Umwelt, aber eben auch unsere Erziehung und unsere gesellschaftliche Umgebung bedeutende Einflüsse auf die Entwicklung menschlicher Individuen haben. Hirnforscher*innen haben erkannt, dass eindeutig weibliche und eindeutig männliche Gehirne eine ziemliche Ausnahme darstellen. Im Durchschnitt ist die menschliche Hirnanatomie als eine Mischung aus männlichen und weiblichen Eigenschaften angelegt – anders ausgedrückt, in der Regel sind menschliche Gehirne nichtbinär, mit Tendenzen Richtung weiblich oder männlich.

Die Hirnforschung ging sogar soweit zu untersuchen, ob es so etwas wie „trans*Gehirne“ gibt. Auch wenn Studien hierzu noch in den Kinderschuhen stecken und mit äußerster Vorsicht zu genießen sind, ergibt sich das Bild, dass die Anatomie der Gehirne sich im Laufe des Lebens ändert. Mensch kann also argumentieren, dass eine Selbsterkenntnis darüber trans* zu sein wahrscheinlich im Verlauf der Identifikation mit einem Geschlecht, das von dem bei der Geburt zugeordneten abweicht, Einfluss auf die Gestalt des Gehirns hat. Kurz und gut: Gesellschaft und Biologie lassen sich nicht trennen. Unsere Wahrnehmung voneinander ist durch unsere körperlichen Anlagen geprägt, genauso wie unser Umgang mit uns selbst und anderen unsere körperlichen Anlagen prägt. Eine klare Trennlinie zwischen gesellschaftlichen Gender und biologischen Geschlecht ist nicht möglich, da beide Kategorien nicht getrennt voneinander existieren. Sie bestehen zu jeder Zeit gemeinsam und nehmen Einfluss aufeinander.

Biologisches Geschlecht, letztlich die gesamte Biologie ist eine Vereinbarung, die dazu dient Dinge zu benennen, um sie verständlich zu machen. Geschlecht ist eine soziale Konstruktion.

Die Ergebnisse der Forschung am Gehirn werfen zudem die Frage nach der sogenannten geschlechtlichen Identität auf. Die geschlechtliche Identität beschreibt das Wissen einer Person darüber, wer sie unabhängig von ihren körperlichen Geschlechtsmerkmalen ist. Sollte ein cis Mann beispielsweise aufgrund eines Unfalls oder einer Krankheit seines Penisses beraubt werden, würde niemensch, allen voran er selbst nicht daran zweifeln, dass er weiterhin ein Mann ist. Es sind letztlich nicht sein Penis, nicht seine Hoden, nicht seine Prostata, seine Chromosomen oder Hormone, die ihn zum Mann machen, sondern seine gelebte Realität, sein Wissen und seine tief eingeprägte Erfahrung darüber dass er ein Mann ist. Die Entfernung von Brustgewebe bei einer cis Frau oder der natürliche Verlust der Fähigkeit Kinder zu gebären ab einem gewissen Alter berauben sie nicht ihrer Weiblichkeit, weil sie schlicht und ergreifend weiblich ist. Ebenso ist eine burschikose, selbstbewusste cis Frau, die mit ihrer lauten ungestümen Art dem gesellschaftlich tradierten Bild von Weiblichkeit als Gender nicht entspricht dennoch eine Frau.

Selbiges gilt für trans*, inter*, nichtbinäre und weitere queere Personen – also auch für mich. Ich identifiziere mich nicht mit dem Geschlecht, das mir bei meiner Geburt mittels eines Blicks zwischen meine Beine zugewiesen wurde. Diese Identifikation entspringt meinem tief verwurzelten Wissen darüber, wer ich bin. Anders als cis Personen musste ich jedoch zunächst einen ganzen Berg gesellschaftlicher Erwartungen und Zuschreibungen über mich und meinen Körper abtragen, um dieses Wissen zu formulieren, es zu benennen und mir dadurch bewusst zu machen. Eine Herausforderung, vor die die meisten cis Menschen nicht gestellt werden, da die Zuweisung bei Geburt mit ihrer geschlechtlichen Identität übereinstimmt. Dieser Prozess der Bewusstwerdung ist auch der Grund, warum geschlechtliche Identitäten bei cis Personen im regelfall anders benannt werden, als bei nicht-cis Personen. Ein cis Mann ist ein Mann*, während sich eine trans*maskuline Person als Mann* identifiziert. Obwohl beide ein tiefes Wissen über ihre Identität haben, wird dieses Wissen, weil es nie hinterfragt werden musste, beim cis Mann validiert, während es bei der trans*maskulinen Person als persönliche Einschätzung relativiert wird.

Oft wird es dann so formuliert, dass nicht-cis Personen ihrem Gender nach maskulin, feminin oder nichtbinär sind, während sie über eine eindeutige Biologie verfügen, die anders aussieht als ihre Identifikation. Dass das so nicht richtig ist, da Gender und Geschlecht, Körperlichkeit und Gesellschaft nicht so einfach voneinander trennbar sind, habe ich bereits erklärt. Dieser rhetorische Kniff macht aber auch etwas anderes. Er unterwirft Identitäten einer Norm, nach der cis Sein ein unumstößlicher Fakt ist, während alles was nicht cis ist als weniger wahr, nicht echt, augedacht oder zumindest debattierbar angesehen wird. Meine gelebte Realität wird von jenen, die diese Realität nicht leben angezweifelt. Der Verweis auf mein Gender gegenüber meines „biologischen Geschlechts“ oder die Bemerkung, dass ich mich mit etwas identifiziere, oder dass ich ja zumindest „eigentlich ein Mann“ sei ist ein verbaler Gewaltakt, der einen grundlegenden Teil meines Selbst devalidiert. Ich identifiziere mich nicht mit etwas, das von der Zuordnung bei meiner Geburt abweicht, ich bin trans*. Und nur weil ich das nicht Zeit meines Lebens benennen konnte, heißt das nicht, dass das weniger wahr ist. Ich bin trans* auch wenn ich es nicht immer wusste. Das heißt auch zu der Zeit, als ich mich noch als Mann* identifizierte war ich dennoch trans*, nur hatte ich es noch nicht erkannt.

Meine gelebte Realität wird von jenen, die diese Realität nicht leben angezweifelt.

Dabei verleugne ich nicht meine körperlichen Anlagen, wie mir oft vorgeworfen wird. Vielmehr sind diese integraler Bestandteil meines Selbst. Sie bescheren mir hin und wieder dysphorische[5] Gefühle, aber dank dem aktuellen Stand der Medizin sind sie nicht unveränderlich. Dennoch tragen sie maßgeblich zu dem Bild bei, das ich von mir habe. Mich als trans*, als feminin und nichtbinär wahrzunehmen hat sehr viel damit zu tun, wie sich mein Gender in der Gesellschaft konstituiert und mit meinem Körper und meinem Verhältnis zu ihm. Mein Bewusstsein über mein trans*Sein ist sogar untrennbar mit diesen Faktoren verbunden. Es setzt sich aus meiner Körperlichkeit, meinen sozialen Interaktionen und meinem Wissen über mich selbst zusammen – aus Geschlecht, Gender und Identifikation. Ich erachte diese drei als untrennbar miteinander vernetzt. Ihre Summe ergibt meine Geschlechtlichkeit.

Die Trennung von körperlichem Geschlecht und gesellschaftlichem Gender ist aus dem Diskurs feministischer Soziologie hervorgegangen. Als Werkzeug zur Benennung verschiedener Dinge in verschiedenen Kontexten ergibt diese Trennung auch viel Sinn. Sie erlaubt einen differenzierten Bilck auf Zusammenhänge menschlichen Zusammenlebens. Sie jeoch als strikte Kategorien unabhängig voneinander festzuschreiben erachte ich als problematisch. Sowohl die Reduktion von Personen auf ihre Körperlichkeit, als auch die einseitige Betrachtung von sozialisietren Normen gegenderter Verhaltensweisen und Codes werden der Komplexität des menschlichen Wesens nicht gerecht und sind gegenüber jenen, die sich außerhalb der cis geschlechtlichen Norm Befinden mitunter zu tiefst verletzend. TERFs[6] nutzen diese Argumentation ebenso wie queerfeindliche Konservative, trans*feindliche Mediziner*innen oder Trolle in Kommentarspalten, um queere Geschlechtlichkeit als abnormal, fiktiv, gestört und weniger wahrhaftig als cis Geschlechtlichkeit zu brandmarken.

Stattdessen erscheint es mir sinnvoller, die Begriffe von Gender, Geschlecht und Identität beizubehalten, dabei jedoch anzuerkennen, dass keines der drei unabhängig von den anderen in einem Vakuum existiert. Sie sind die Faktoren, deren Zusammenwirken menschliche Geschlechtlichkeit als Ganzes konstituiert. Ich bin trans*. Ich bin trans*, weil ich es weiß, fühle, jeden Tag, jede Sekunde erfahre. Ich bin trans* weil ich Kleider trage – ich wäre auch trans* in Baggypants. Ich bin trans* – nicht obwohl ich etwas bestimmtes in der Hose habe, sondern weil dich der Inhalt meiner Strumpfhose nichts angeht.

Fußnoten:

[1]Unter dem Präfix trans* fällt eine Mehrzahl an Geschlechtlichkeiten, die mit der binären Definition von Geschlecht nur zum Teil kongruieren. „Trans“ ist dem lateinischen entlehnt un bedeuted so viel wie „jenseits von etwas“. In bezug als Geschlecht und Gender heißt trans* also soviel wie „jenseits des bei Geburt zugewiesenen Geschlechts“. Diese Vieldeutigkeit soll mit dem ‚*‘ statt dem Leerzeichen zwischen trans und dem bezeichneten Wort zum Ausdruck gebracht werden (Bsp.: trans*Frau). Unter meine Auffassung von trans* fallen alle Personen die sich trans, Trans, transgender, transsexuell, nichtbinär, agender, genderqueer, bigender, demigender, maverique oder als keines davon bezeichnen. Trans* meint für mich, nicht-cis.

[2]Nichtbinär, nonbinary oder kurz enby oder nb bezeichnet eine Verortung jenseits der Zweigeschlechterordnung, die nur Mann und Frau als valide ansieht. Binarität ist etwas für Computer und nichts, was menschen annähernd präzise beschreiben würde.

[3]Intersex* oder auch inter* beschreibt Menschen, die aufgrund ihrer körperlichen Vorraussetzung nicht in die Kategorien männlich oder weiblich passen. Leider bietet dieser Text nicht genug Raum, um sich der intersex*Thematik ausgiebig zu widmen. Inter*Personen stellen eine Gruppe marginalisierter Menschen dar, deren Erfahrungen ihren eigenen Raum verdienen, den ich hier nicht bieten kann. Zudem fasse ich mich selbst nicht als Expertin* in diesem Bereich auf und nehme mir daher nicht heraus, über Lebenswirklichkeiten zu schreiben, die nicht meine sind.

[4]Das Wort cis bedeutet aus dem lateinischen Übersetzt soviel wie „diesseits von etwas“, also im Zusammenhang mit Gender und geschlecht „diesseits des bei Geburt zugewiesenen Geschlechts“. Cis Personen sind bspw. Frauen, die bei Geburt weiblich zugewisen wurden und Zeit ihres Lebens daran nichts auszusetzen haben. Cis heißt demnach auch so viel wie nicht-trans*.

[5]Dysphorie: Das Unwohlsein aufgrund der Nicht-übereinstimmung von geschlechtlicher Identität und Geschlecht und/oder Gender. Dysphorie kann sozial bedingt sein – wenn ich beispielsweise als Mann* gelesen und angesprochen werde, jemensch meinen Geburtsnamen verwendet – oder körperlich – ich fühle mich nicht wohl mit dem Gesicht, dass mir meine Pubertät auf Testosteron verschafft hat – oder beides.

[6]TERFs = trans*exklusive radikale Feminist*innen, Einzahl: TERF

Weiterführende Links und Literatur:

Ein Artikel von Mine Wenzel

Titelbild mit freundlicher Genehmigung von enby:galactic + trans:tastic
Foto von We Won’t be Erased Hamburg

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Mine Wenzel (trans*feminin, nichtbinär) ist fast fertig mit ihrem* Studium der Szenischen Künste an der Universität Hildesheim. Sie* engagiert sich aktivistisch im Antifaschistischen Netzwerk Hildesheim, ist ehrenamtlich bei SCHLAU Hildesheim tätig und organisierte zuletzt in Hamburg mit anderen trans* und nichtbinären Aktivist*innen und Allies eine #WontBeErased Kundgebung. Außerdem ist sie DJ* und Musikerin* und queert als &Claudia die Techno Szene, macht Musik für die Theatergruppe edgarundallan und ist Teil des internationalen Künstler*innennetzwerks female:pressure.

Für trans*positive Posts und queere Musik findet ihr Mine auf Facebook und auf Soundcloud.

2 Kommentare zu „Geschlechtlichkeit – oder warum die Trennung von Geschlecht und Gender problematisch ist

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