Tinder, Grindr, Lovoo, OkCupid – Wolltest Du schon mal eine Dating-App ausprobieren und wusstest nicht, welche Du runterladen sollst? Unsere Autorin Hanne erzählt über ihre Erfahrungen und Beobachtungen mit und über OkCupid!
Nachdem ich eineinhalb Jahre unglücklich in ein Mädchen verliebt war, das emotional für mich nicht erreichbar war, hatte ich langsam angefangen mich von der Idee von ihr und mir zu verabschieden. Meine Gefühle zu verarbeiten war nicht leicht, aber trotzdem merkte ich, dass es mit jedem Tag ein bisschen einfacher wurde. Ich bekam Lust darauf, andere Menschen kennenzulernen. Ganz unverbindlich und ohne großen Druck. Leider gab es da nur zwei kleine Probleme. Ersten bin ich sehr introvertiert, wenn es dazu kommt, fremde Personen, die ich attraktiv finde, anzusprechen. Zweitens lebe ich in einer Kleinstadt mit 70.000 Einwohner*innen und ohne eine etablierte queere Szene, was es für mich noch schwieriger macht, zu daten.
Als ich mich darüber mit meinem besten Freund austauschte, empfahl er mir OkCupid, eine Dating-App, über die er seinen Freund kennengelernt hatte. Die App sei sehr inklusiv und richte sich explizit an Personen der LGBTQIA+ Community. Bisher hatte ich nur von anderen Dating-Apps gehört. Dazu zählten (natürlich) Tinder, aber auch Apps wie Bumble oder auch Grindr. Letzteres kam für mich sowohl wegen meiner Geschlechtsidentität als auch meiner Sexualität nicht in Frage, Bumble kannte ich nur von amerikanischen YouTuber*innen und für die Nutzung von Tinder kam mir meine Heimatstadt zu klein vor. Außerdem hatten mir (heterosexuelle) Freund*innen schon berichtet, dass das „Tinder-Game“ nicht sonderlich „gewinnbringend“ sei in einer Stadt, die zum Großteil aus Senior*innen und Familien besteht. Da schien es für mich als 22-jährige, weiße, lesbisch-demisexuelle Cis-Frau irgendwie weniger greifbar, jemanden kennenzulernen.
Trotzdem, mein bester Freund war so begeistert von OkCupid, da es auch die Möglichkeit biete die eigene Person selbstbestimmt und vielschichtig durch das Beantworten eines Fragenkatalogs darzustellen, dass ich mich letztendlich dafür entschied es einfach auszuprobieren und mir selbst ein Urteil zu fällen. Ich konnte sie ja immer noch löschen.
Zugegeben, anfangs war ich skeptisch (und das, obwohl ich meinen Langzeitcrush damals auch über das Internet kennengelernt hatte) und gleichzeitig auch überfordert: Die App war auf Englisch aufgebaut, es gab gefühlt tausende Kategorien zu beantworten und verschiedenste Einstellungen zu beachten. Ich wollte die besten Bilder von mir aussuchen und was zur Hölle schreibt man in die Bio? Nach ein paar Stunden des aktiven Nutzens fiel es mir allerdings leicht die App zu bedienen und es machte einfach Spaß. Außerdem wurden die Erwartungen erfüllt, die ich durch die Befürwortung der App durch meinen besten Freund gebildet hatten.
- OkCupid ist wirklich inklusiv.
Mit Auswahlmöglichkeiten zwischen 22 Geschlechtsidentitäten und 13 sexuellen Orientierungen schafft die App nicht nur Sichtbarkeit für unterschiedliche queere Personen, sondern erleichtert auch die Suche nach potentiellen Partner*innen beziehungsweise Freund*innenschaften. Beispielsweise kann man gezielt nur nach genderfluid und nicht-binären Personen suchen und alle anderen Geschlechtsidentitäten ausschließen. Das Gleiche gilt für sexuelle Orientierung. Für das eigene Profil kann eine Kombination von fünf verschiedenen Geschlechtsidentitäten und sexuellen Orientierungen gewählt werden. Zusätzlich kann man einstellen, dass man heterosexuellen Nutzer*innen gar nicht erst angezeigt wird und sie im Gegenzug auch nicht vorgeschlagen werden. So muss die Frage von „Ist diese Person für mich ,erreichbar‘ oder nicht?“ gar nicht erst gestellt werden. Man weiß, dass zumindest aufgrund der Sexualität keine Hindernisse bestehen.
2. OkCupid integriert verschiedene Beziehungsarten
Nicht nur im Bereich LGBTQIA+ ist die App inklusiv. Sie löst sich von einer normativen Vorstellung von Beziehungsmodelle, indem Nutzer*innen ihre Suche an ihre jeweiligen Bedürfnisse anpassen können. Hier wird unterschieden zwischen sexuellen, romantischen und platonischen Beziehungen. Man kann explizit nach Freund*innenschaften suchen. Das kann besonders nützlich sein, wenn man sich als queere Person nach einem Austausch mit „Gleichgesinnten“ sehnt, aber beispielsweise innerhalb der eigenen Stadt keine Möglichkeit dazu beziehungsweise keine Anlaufstelle hat.
Sucht man nach romantischen oder sexuellen Beziehungen kann man zu allererst zwischen monogam (Beziehung mit eine*r Partner*in) und nicht-monogam (Beziehung mit mehreren Partner*innen) auswählen. Man muss sich auf mindestens eines der Modelle festlegen, kann aber auch beide im Profil angeben. Weiterhin unterscheidet OkCupid zwischen drei Kategorie: One-Night-Stands beziehungsweise Hook-Ups, short term dating (dt.: Kurzzeit-Dating) und long term dating (dt: Langzeit-Dating). Im Profil werden die verschiedenen Beziehungsmodelle/ -arten dann miteinander kombiniert und ist für potentielle Partner*innen einsehbar. Dies ist, wie alle anderen Angaben, immer änderbar.
3. OkCupid bietet Nutzer*innen viel Spielraum sich zu entfalten
Profile innerhalb Dating-Apps sind nichts Ungewöhnliches, aber bei OkCupid bekommen Nutzer*innen wesentlich mehr Möglichkeiten, ihr Wesen und ihre Persönlichkeit vielschichtig darzustellen. Als erste Vorstellung dient die Kurzbio, wo allgemeine Informationen wie Name, Alter und Wohnort und eine Self-Summary (dt.: Meine Selbstzusammenfassung) angezeigt werden. Im detaillierten Profil können Nutzer*innen mehr über die eigene Person erzählen. Anhand von Kategorien wie Serien, Hobbys, Träume und vielen mehr bietet die App Raum zur Entfaltung. Auch die Möglichkeit nähere Informationen über die politische und religiöse Einstellung sowie Sternzeichen und Essgewohnheiten zu teilen oder nähere Beschreibungen zum eigenen Körper (Auswahlmöglichkeiten beispielsweise zwischen thin (dt. dünn), a little extra (ein bisschen mehr) oder curvy (dt: kurvig)) in das Profil aufzunehmen, schafft wiederum Sichtbarkeit und bietet Nutzer*innen eine differenzierte Darstellung der eigenen Person.
4. OkCupid bringt kompatible Nutzer*innen zusammen
Dass man überhaupt mit potentiellen Partner*innen, die den eigenen Wünschen entsprechen, in Kontakt treten kann, wird durch einen Algorithmus (eine Kette mathematischer Rechnungen nach einem von Programmierer*innen bestimmten Schema) ermöglicht. Hierfür ist ins besondere der Fragenkatalog entscheidend. Dieser listet verschiedene Fragen auf, die man auf freiwilliger Basis beantworten kann. Von politischen Themen zu Aktivismus zu der Lieblingseissorte ist hier alles dabei. Den Nutzer*innen wird ermöglicht, die eigenen Gedanken und Ansichten darzustellen. Gleichzeitig sollen die Antworten auf die Fragen eine Art Abgleich für die Kompatibilität mit anderen Nutzer*innen sein. Hat man möglichst viele Fragen gleich oder ähnlich beantwortet, stuft der Algorithmus es als wahrscheinlicher ein, dass man sich gut miteinander versteht. Stimmt man bei wenigen Antworten überein, wird das Gegenteil angedeutet. In der Kurzbio wird das Ganze anhand einer Prozentzahl angegeben. So sieht man also gleich, wer am besten passen könnte und wer vielleicht nicht. Ein kurzer Blick auf das gesamte Profil würde ich trotzdem raten.
Nach meiner Nutzung von OkCupid bin ich auch zu einem absoluten Fan geworden. Was mich persönlich sehr gefreut hat, war, dass ich zusätzlich zu lesbisch auch demisexuell auswählen konnte, eine Sexualität, die, in meiner Erfahrung, oft vergessen oder nicht berücksichtigt wird. Es hat mir Sichtbarkeit verliehen und mich wohlfühlen lassen. Ich konnte mich nicht nur auf einer oberflächlichen Ebene über Lieblingsserien oder Hobbies unterhalten, sondern deep talks führen mit queeren Menschen, die ähnliche Erfahrungen gemacht hatten. Besonders im Umgang mit meiner Sexualität hat mir das geholfen. Denn auch, wenn ich nie aktiv das Gefühl hatte missverstanden zu werden, war es mehr als wichtig für mich Gespräche mit Menschen zu führen, die nicht zu meinem Freund*innenkreis gehören. Überhaupt die Möglichkeit nur mit Frauen und nicht-binären Personen in Kontakt zu treten und Männer in gewisser Weise „auszuschließen“, habe ich als sehr bereichernd empfunden. Dadurch entstanden für mich neue Blickwinkel und ich hatte nie ein unwohles Gefühl oder das Gefühl mich rechtfertigen zu müssen. Außerdem habe ich durch diese App ein sehr anderes, sehr cooles (für mich erstes) Date erlebt: Ich bin zu einem Mädchen nach Hause, wo wir erst ihre frisch blau gefärbten Haare abrasiert haben (inklusive der ein oder anderen längeren Quatsch-Pause und gutem Tee), um dann zu einer Drag Show zu gehen, die an dem Tag an der Uni stattgefunden hat.
Wenn du dir also schon mal überlegt hast Online-Dating auszuprobieren, würde ich es dir auf jeden Fall empfehlen. Die anfängliche Skepsis und Unsicherheit sind mit dem ersten Gespräch praktisch verschwunden. Ich weiß nicht, wie andere Apps aufgestellt sind, aber mit OkCupid habe ich als lesbische Frau nur gute Erfahrungen gemacht. Es war wie ein kleiner Safe Space und ich würde es auch immer wieder tun. In dem Sinne: Danke an meinen besten Freund, der mir den nötigen Schubser gegeben hat. Es hat mir sehr geholfen.
Eine Artikel von Hanne
Titelbild mit freundlicher Genehmigung von Emma Riechert
leider sehr teuer
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