Wertschätzung, Gleichberechtigung und faire Arbeitsverhältnisse – Die Künstlerin Kaleo Sansaa fordert mit ihrer neuen Single „Pay Mi in Cash“ genau das. Im Interview mit dem .divers-Magazin erzählt sie unter anderem von den Hintergründen ihres neuen Albums, ihren ganz persönlichen Weg in die Welt der Musik und was der Lockdown für Auswirkungen auf ihre Kunst hatte.
Um dich ein bisschen besser als Musikerin kennenzulernen, wollen wir dich zuerst fragen wann du mit Musik machen angefangen hast und wie es dazu kam, dass du dein eigenes Genre benannt hast? Ich war schon als Kind sehr an Musik interessiert. Meine Oma hat im Chor mitgesungen, in der Kirche, das war so ein „Old Ladies Choir“ und ich war immer so „whoo whoo“, weil ich die Harmonien immer voll mochte und da fing´s irgendwie schon an. Mit neun, in meiner alten Schule in Sambia, habe ich in der Theater und Musik AG mitgemacht, also ich konnte nie singen, aber das war mir egal, ich liebte einfach die Musik, ich hab mich einfach immer so hingezogen gefühlt. Ich war erst 11 oder 12 als meine Mutter entschieden hat, dass wir nach Deutschland gehen. Mein Wunsch war es nicht, deswegen war ich immer extrem isoliert und allein und da fing ich dann auch an zu schreiben und so richtig zu singen und da hat sich das dann so richtig für mich entwickelt. Mit meinem eigenen Kram angefangen habe ich ca. 2017, davor habe ich immer in Bands gespielt, immer in unterschiedlichen Konstellationen gearbeitet. Also ich habe zwar immer selbst geschrieben, aber nie selbst produziert oder selbst mein Sound ausgeschmückt. Mit meiner Loop-Station und meiner Kalimba habe ich dann zum ersten Mal mit dem analogen Produzieren angefangen. Und da habe ich gemerkt, das ist halt einfach mein Sound. Und wenn man anfängt Musik zu machen oder wenn man es öffentlich macht, ist immer die erste Frage »ja hey voll cool, aber wie nennt man jetzt deine Musik?« und mich hat die Frage immer überfordert, weil ich es nicht in ein Genre packen konnte. Es ist kein Hiphop, es ist auch kein RnB, es ist kein Soul, es ist I don’t know, also ich wurde immer mehr gezwungen mich zu definieren, und ich habe es wirklich versucht, aber es passte irgendwie nicht. Ich habe wirklich alle Definitionen und Genres durchgespielt und hab mich da nie so richtig wiedergefunden. Und dann war ich gezwungen mich mit dem Kern meiner Musik zu befassen. Warum mache ich Musik? Woher kommt das? Und da habe ich gemerkt, immer wenn ich schreibe, gehe ich zurück an einen Ort, wo ich als Kind immer war. Ich habe als Kind immer voll gerne in der Sonne gespielt, also ich bin ja in Sambia aufgewachsen und da ist die Sonne eigentlich extrem brutal, niemand geht in die Sonne. Und ich mochte es aber immer in der Sonne zu sitzen, bis mir schwindelig wurde. Bis ich dieses wummrige Gefühl bekommen hatte, so wie wenn man zu lange meditiert und einem so komplett der Schauer über den Körper läuft und wenn ich schreibe fühle ich mich genauso. Da habe ich gemerkt, krass, alles in meinem Leben basiert so ein bisschen auf diesem Gefühl, wenn man nach dem Licht sucht, man ist connected zum Universum, man ist mit sich im Reinen und Eins. Mir sind so viele Dinge passiert, aber ich hatte immer das Gefühl, dass ich immer in diese Ruhe in mir zurückkehren konnte. Und ich habe gemerkt, das ist die Basis meines Lebens und meiner Musik und dann war das so, o.k. Ich glaube Hiphop ist es nicht ganz, weil it’s not like »eh fuck you, bitches, money« und so, aber es ist something like that. Und Solarbased – es ist irgendwie Sonnenbasiert. Die Sonne definiert mich und dann dachte ich, weißt du was, es ist Solarbased HipHop und Sun-drunk Sound. Und Sun-drunk, ist dieses Gefühl, das ich beschrieben habe, wenn ich so zu lange in der Sonne war, ich glaube ich hatte einfach immer permanent einen Sonnenstich und habe es nie gemerkt, I don’t know (lacht), aber es hat sich gut angefühlt. Und ich habe das Gefühl, dass manche Tracks oder so wie ich schreibe, dass man wie in so eine Trance kommt, also wenn man von der Sonne ein bisschen high ist, dass man aus dieser Energy irgendwie kreiert und deswegen kam so dieser Sun-drunk part also, dass das für mich immer dabei ist.
Der Name Kaleo Sansaa ist auch Sonnenbasiert? Genau, ich heiße ja wirklich Kaleo, also das ist mein Geburtsname. Alle meine Freunde meinten »dein Name ist so schön, nenn dich einfach Kaleo«, und ich dachte »oh das ist doch voll boring«, weil ich mag meinen Namen auch voll, aber wenn man mit ihm aufgewachsen ist, ist er für einen selbst nichts besonderes und irgendwann dachte ich »ja o.k., ich nenn mich einfach Kaleo, ihr habt recht«. Und dann wollte ich das machen, aber dann habe ich erfahren, dass es eine skandinavische Band gibt, die meinen Namen geklaut hat, die sich auch Kaleo nennt, also auch genauso geschrieben. Und dann war ich gezwungen, mir entweder was komplett neues auszudenken oder einen Zunamen auszudenken. Also fing ich erstmal an mit meiner Muttersprache Bemba. Und auf Bemba heißt sansaa Freude oder Teilen. Danach habe ich weiter rumgebastelt, ich habe zu der Zeit auch Swahili gelernt und da habe ich erfahren, dass saa zum Beispiel Zeit heißt und ja, irgendwie habe ich das dann zusammengebastelt, und mein Ziel war, genau wie bei der Musikrichtung, was beschreibt mich oder was ist das was ich sein möchte? Dann war mir klar, das ist eigentlich die Person, die ich in den besten Momenten meines Lebens bin, eine Person die Freude verbreitet, eine Person, die sich Zeit lässt, die die Ruhe, ja, die Zeit oder die Ruhe in Person sein kann. Das bin ich natürlich nicht immer, deswegen war das irgendwie cool mir so einen Namen auszudenken, den ich gleichzeitig anstrebe, also in dem Elemente auf jeden Fall davon immer in mir sind, aber wo es natürlich manchmal schwierig ist, dem gerecht zu werden, wer man eigentlich sein möchte. Und deswegen ist »Sansaa« Sungodess inspired, also eigentlich auch ähnlich wie Solarbased, auch wieder Sonnenbasiert, that’s the highest self I can be, so nach dem Motto.
Du sagst deine Lieder sind deine Form von Heilungsprozess der manchmal auch aktivistisch wirken kann. Kommt die Musik dabei manchmal an ihre Grenzen für dich? Ist meditieren etwas, woraus du neue Energie schöpfen kannst, außerhalb deiner Musik? Voll. Also meditieren rettet mein Leben. Ich bin Zwilling vom Sternzeichen, ich mache so viele Dinge immer gleichzeitig, ich arbeite so gerne, oder so viel eigentlich, gerne ist vielleicht nicht der richtige Begriff (lacht). Und meditieren und Yoga, und jetzt habe ich auch ein bisschen mehr traditionellere Sportarten, also wie Intervall Training oder sowas gemacht, das zentriert mich sehr. Also das ist auf jeden Fall ein Tool, um wieder den Zugang zu mir selbst zu finden. Ich bin immer so offen und kreativ, und will immer alles gleichzeitig machen, und verlier mich halt oft in so Dingen und Aktivitäten. Und meditieren oder schreiben, mit oder ohne Musik, also einfach für mich schreiben oder Gedichte oder meine Gedanken, das ist auf jeden Fall ein enormer Teil meines Lebens und ein extrem wichtiger Teil, damit ich irgendwie ganz bleibe.
Vor allem als female Newcomerin bist du ein starkes und wichtiges Vorbild. Hast du musikalische oder nicht musikalische Vorbilder, die wichtigen Einfluss auf dich hatten? Es klingt vielleicht komisch, aber das was mich wirklich im Kern am aller meisten beeinflusst ist die Acapella Musik, die ich aus meiner Kindheit kenne, von meiner Oma aus dem Chor. Daran inspiriert mich am meisten die Harmoniebildung. Darin habe ich mich verliebt. Also nicht nur irgendein Chor, sondern wenn mehrere Stimmen zusammenkommen und zu einem verschmelzen. Das ist für mich immer so »woooah« und dieser Moment, der, wie nennt man das, im Theater gibt es ein Begriff dafür, … nicht Ekstase, … Katharsis, genau! Katharsis-Moment – und dem bin ich irgendwie immer hinterher, weil auch wenn man schreibt, man denkt was, man hört was und wenn das irgendwann so zusammenkommt, hat man irgendwie, dass das was man denkt und schreibt auf das Lied passt. Und um diese Momente, darum geht es für mich in meiner Musik und ich gehe überall hin, wo der Moment das erlaubt. Jegliche Musik, die sowas macht. Hört sich komisch an, aber ich höre auch voll oft, wenn ich sehr gestresst bin, Scala. Das ist eine Chorgruppe, die machen Cover. Aber auch zum Beispiel Ibeyi die Girls, die liebe ich, also die haben auch voll oft diese Momente. Nneka hör ich extrem gerne, ich liebe sie. Ja also eigentlich, es ändert sich immer, aber ich hör immer gerne Artists, die diese Momente irgendwie kreieren. Die wirklich einfach super ehrlich sind, und wo es nicht darum geht so ein hippen ästhetischen Style hinterher zu laufen oder zu kreieren, sondern wo man merkt das ist super organisch und man geht dem hinterher. Ob es »hip« ist oder nicht.
Deine neue Single »Pay Mi in Cash« kritisiert speziell fehlende finanzielle Anerkennung und Würdigung von Schwarzen Frauen und Women of Colour. Du forderst ja eigentlich eine einfache Lösung »Ich möchte für meine Arbeit bezahlt werden«. Wenn wir nun ein Schritt zurückgehen, ist es ja auch oft so, dass das Booking immer noch sehr Weiß und männlich dominiert ist. Findest du eine Quotenregelung beim Booking wäre eine gute Idee? Ja, auf jeden Fall. Also ich glaube, Quoten sind erstmal ein umstrittenes Thema. Also wenn wir jetzt bei Deutschland bleiben, da haben die Hoe__Mies auch was dazu gepostet, dass die immer gebucht werden, und dann denken sich die Veranstalter:innen oder die Festivals, ja ok wir haben jetzt unsere zwei Girls eingeladen so, der Rest ist 99% männlich oder Weiß oder beides, am besten in Kombination. Das fand ich halt mega cool, dass die auch meinten »Ey, nur weil ihr uns jetzt gebooked habt, so … bucht mehr!«. Ich finde auf jeden Fall, dass eine Quote helfen würde, zumindest das zu normalisieren – hoffentlich. Ich glaube was ich mir schwierig vorstelle, wo es tricky werden könnte, aber was ich in Kauf nehmen würde – Hauptsache irgendwas passiert – ist das, was oft passiert, ist natürlich, dass immer nur die gleichen Gesichter eingeladen werden. Also wenn ich aus irgendeinem Grund das Girl werde, das man immer bucht, also das Schwarze Girl das gebucht wird, um zu sagen »hey, unsere Hände sind jetzt rein, guck wir haben Kaleo gebucht«, dass dann danach niemand mehr reinkommt. Und ich glaube, das ist halt auch so ein Ding von, man hat dann die vier POC, Black People, die man immer bucht. Davor hätte ich dann irgendwie Schiss. Und das passiert ja auch oft, auch ohne die Quote, dass man immer seine drei, vier Personen hat, die man immer fragt, oder die alle Plattformen immer fragen. Ja, aber grundsätzlich finde ich eine Quote gut, weil ich glaube, wenn man die richtigen Leute einlädt, die holen ja auch mehr Leute rein, also so wie die Hoe__Mies zum Beispiel. Die wurden ja gebucht und machen auch trotzdem immer wieder darauf aufmerksam »hey, wir sind nicht die Einzigen« und nutzen ihre Plattform ja auch um auf andere aufmerksam zu machen. Also das bedeutet, wenn man irgendwie genug Frauen, genug Black People, genug Women of Colour, LGBTI und Trans People bucht, die Sorgen ja eigentlich fast immer dafür, dass man sagt »hey, kennt ihr auch eigentlich meine sis*? Die ist auch geil«. Deswegen wäre es auf jeden Fall nicht verkehrt.
Du hast ein bisschen davon erzählt, wie du die Situation in vor allem Deutschland wahrgenommen hast, aufgetreten bist du aber auch noch in anderen Ländern. Hast du die Erfahrung allgemein gemacht oder war das eher auf ein bestimmtes Land bezogen? Also ich war bis jetzt auch nicht in super vielen Ländern. Ich war ja nur in Südafrika, Sambia, zwei Mal in Holland und einmal in Österreich. Ich hatte das Gefühl, dass Holland grundsätzlich internationaler denkt. Deswegen setze ich da ganz andere Maßstäbe an und Sambia und Südafrika sind ja grundsätzlich eigentlich komplett Schwarz und da sind ja auch nochmal ganz andere Komponenten. Deswegen finde ich immer Deutschland so speziell zu denken, denn Deutschland ist zwar divers de facto, aber in der Repräsentation wirklich super, super weiß oder sehr komisch divers. Also sehr mit diesem komischen Integrations-touch. Ich weiß nicht genau wie es in der holländischen Gesellschaft aussieht, aber zumindest in der Kunst habe ich das Gefühl, dass die automatisch super divers denken, also nicht unbedingt denken, aber die laden immer internationale Acts ein. Auf den Festivals, auf denen ich war, waren immer so viele verschiedene Leute. Ich weiß aber nicht, wie repräsentativ das war. Ich glaube in Deutschland ist halt einfach so dieses Ding, dass noch extrem Weiß gedacht wird, und es jetzt langsam kommt, also ich sehe schon, dass sich da was tut. In Deutschland ist einfach special, diese deutsche Identität die immer noch nicht zu Ende verhandelt ist, dass die auch anders ausschauen darf und kann. Und das spiegelt sich einfach überall wider.
Hattest du ein konkretes Erlebnis, wenn ich fragen darf, dass dich dazu bewegt hat »Pay mi in Cash« zu schreiben, oder war das eher eine allgemeine Stimmung? Es war so ein Mischmasch. Also, ein Schlüsselerlebnis war auf einem größeren Festival, das mich angefragt hatte und da war ich noch relativ am Anfang. Die hatten mir unverschämt wenig Geld angeboten und ich habe direkt gesagt »nein, das mache ich nicht«. Später haben sie sich mit einem neuen Angebot gemeldet und haben direkt das fünffache vorgeschlagen, also so niedrig war das, dass die fünfmal höher gehen konnten, und es war immer noch eigentlich wenig. Und das hat mich irgendwie so traurig gemacht, weil das war auch für eine Newcomer-Bühne und ich wusste das ist halt so´n Newcomer Ding auch einfach, dass man froh sein soll überhaupt eine Bühne geboten zu bekommen. Und von einem habe ich das auch so gesagt bekommen, »hey, alles an dir ist super, bis auf deine Gagenvorstellung«, die wirklich nicht, meiner Meinung nach, außerordentlich war. Ich würde auch nochmal unterscheiden zwischen so kleinen Veranstalter:innen und Festivals, die ein immenses Programm anbieten wollen, aber entweder kein Budget dafür haben oder einfach kein Geld dafür ausgeben wollen, aber trotzdem nicht darauf verzichten wollen, alle mitzunehmen und diesen Workshop noch, und dieses Konzert noch usw. Und da ist mein Motto: Wenn ihr kein Budget habt, dann macht was abgespecktes, behandelt die Leute vernünftig und mach ein geiles konzentriertes, fokussiertes Festival, als dass ihr am Ende niemandem gerecht werdet. Ich habe das Gefühl, dass man sich gerade als Frau nie traut mehr zu verlangen. Was mich wütend macht ist, dass ich glaube, dass die Leute das wissen, dass man gerade als Frau oder gerade als Schwarze Person, also je mehr man einfach in diese Intersektion geht, also gerade als Schwarze trans* Person, die wissen ganz genau, dass man insecure ist in dem was man verlangen möchte, weil man eh unterrepräsentiert ist, man weiß wie ersetzbar man ist, wenn man weiß man ist vielleicht die einzige Frau, die einzige Schwarze Frau, die gebucht ist, die einzige Schwarze queere Frau oder die einzige Schwarze trans* Person. Man weiß wie rare diese opportunity ist und die wissen das auch und dann können die das auch viel mehr ausbeuten. Dieses Prekariat macht mich wütend. Das ausnutzen, obwohl man anders kann. Also, man hat das Budget, aber man möchte das einfach nicht zahlen. Und gerade in der Musik war meine allgemeine Stimmung Wut, weil ich gerade im Hiphop denke, oder eigentlich in fast allen Musikrichtungen, die eigentlich fast ausnahmslos von Schwarzen Menschen erfunden oder gemacht oder geprägt sind, dass dann gerade Schwarze Menschen in diesen Musikrichtungen marginalisiert werden, ist für mich so »wollt ihr mich verarschen? Wie kann das sein? Wie kann es sein, dass ein Hiphop Festival keine Schwarzen Künster:innen hat?«. Diese verkehrte Welt, diese verdrehte oder diese sehr zur Ausbeutungsbereite Künstlerische Landschaft hat mich extrem genervt. Meine Einstellung ist allgemein, ich finde Schwarze Menschen haben genug kostenlose Labour für diese Welt geleistet und es kann nicht angehen, dass man mehr verlangt. Grundsätzlich auch strukturell, da geht’s jetzt nicht um mich individuell wieviel Gage bekomme ich, sondern für mich ging es da weiter, für mich war das verknüpft auch mit Reparationszahlungen, Kolonialismus, bzw. einfach ein Fortbestehen dieser Strukturen, von denen viele Leute noch Gebrauch machen und sich daran bereichern letzten Endes. Und sowas kleines wie mich buchen und weniger zahlen wollen, als man kann, gehört für mich auch dazu. Das ist irgendwie so ein großes Thema. Und »Pay Mi in Cash« war für mich so eine halbernste, ironische Art damit umzugehen, weil ich schon immer ein Traplied machen wollte, so als verarsche, weil ich war so »money, bitches, … « aber eigentlich, wäre meine Botschaft pay me in cash, ich will garnicht so tun als hätte ich money und bitches, sondern will darauf aufmerksam machen.
Danke, dass du mit uns offen drüber sprichst. Es ist etwas, was wir beide, als Weiße Frauen nicht nachempfinden können, aber was wir natürlich gerne verstehen möchten. Deswegen ist es sehr lieb, dass du uns das erklärst!
Klaro! Thats why I am here.
Das Lied ist am 26. Februar, im Lockdown, rausgekommen. Wie ist die Situation für dich als Künstlerin im Moment?
Es ist wirklich extrem herausfordernd gewesen, oder ist es immer noch. Das Album sollte eigentlich schon im August rausgekommen sein, »Pay Mi in Cash« wäre sogar schon vor August gekommen. Da das nicht geklappt hat, hatten wir Herbst geplant und jetzt sind wir schon im Frühjahr. Vieles hat damit zu tun, dass wir viele Drehs absagen mussten, weil es viel zu viele Leute gewesen wären, am Set. Das hat den Prozess immens verzögert. Es hat mich traurig gemacht, dass wir Projekte nicht mehr zeitnah realisieren konnten. Andererseits habe ich auch das Gefühl, dass die Welt verzeihender geworden ist. Ich finde, es fällt sehr viel Druck weg. Man kann z.B. ein Reel oder ein Instagram-Live machen und alle freuen sich. Es ist einfacher geworden Content zu kreieren und die Ansprüche sind auf jeden Fall nicht mehr so hoch wie vor dem Lockdown. Das finde ich mega cool! Was die Auftritte angeht ist es natürlich auch wirklich sehr, sehr traurig. Besonders im Sommer waren wir sehr geknickt, weil wir eine super große Festivaltour geplant hatten. Das wäre meine erste Festivaltour gewesen, die einfach komplett, ausnahmslos abgesagt worden ist. Aber es ist voll okay, weil wir bei manchen Projekten, gezwungen waren vieles zu überdenken. Ich hatte mehr Zeit zu konzipieren und das hat für mich schon dazu geführt meine Meinung zu ändern, weil ich auch mehr die Ruhe hatte zu gucken: Worum geht’s und auf mein Innerstes zu hören.
Wenn jetzt Festivals und so ausfallen, gibt es dann, auch wenn es das wahrscheinlich nicht so richtig ersetzt, irgendwelche Alternativveranstaltungen online? Am Anfang des Lockdowns gab es das ziemlich viel. Das gibt es auch immer noch. Das fand ich auch richtig cool, weil ich das Gefühl hatte, dass größere Plattformen auch auf kleinere Artists zugekommen sind. Und da habe ich echt einiges machen können und dürfen. In Moment nehme ich das nicht so richtig wahr, weil ich gerade einfach so mit meinem Album und dem Kram beschäftigt bin oder war. Oh, und was auch angeboten wurde, was ich jetzt auch ein paar Mal mitgemacht habe, waren diese hochwertigeren Streams. Das habe ich in Köln z.B. ein paar Mal gemacht, dass so Clubs dann einfach super krasses Equipment da haben und einen super krassen Livestream vor Ort im Club machen, also ohne Publikum.
Hast du noch weitere wichtige Anmerkungen zu deinem neuen Album? Also ich glaube ich würde nur noch sagen, dass es grob so ein bisschen um Selbstverwirklichung geht, dass es quasi darum geht sich zu trauen, nach dem zu streben, zu dem man glaubt, dass man fähig ist. Dass man einfach nach den Sternen greift und man sich immer, immer trauen sollte, das einzufordern, was einem zusteht und noch mehr. Selbst wenn man nicht in der Position ist. Da geht es nicht mal ums Geld, das war mir auch im Album ganz wichtig. Im Album ist mir reclaiming sehr wichtig. Den eigenen Körper, die eigene Sprache, die eigene Handlung, den eigene Handlungsspielraum, die eigene Kreativität und die eigene Kraft, um Krisen zu bewältigen. Das ist so das allumfassende Thema, und in »Pay mi in Cash« natürlich auch den Wert, den eigenen Respekt zu reclaimen.
Wir sind wirklich so, so viel Wert und wir dürfen uns niemals kleinkriegen lassen, wir dürfen uns niemals unseren Wert runterreden lassen. Das ist das Wichtigste im Leben, für mich. Und deswegen: „Pay mi in cash!“
Und noch eine Sache würde ich sagen: Dieser Wert ist ja nicht nur auf „cash“ bezogen, sondern auch auf emotional labour den man leistet. Gerade als Frau. Das wir nicht mehr so viel Bullshit annehmen. Dass wir uns bezahlen lassen, oder dass wir immer gucken, lohnt sich jetzt mein Energieaufwand? Dass wir uns möglichst mit Menschen umgeben, die uns auch Energie geben, nicht nur rauben.
Dein Song „Holy Alliance“ unterstreicht sehr schön was du eben gesagt hast. Für mich ist außerdem „Big Boy“ sehr badass und eine wichtige Sexismus Kritik. In diesem Track nutzt du viele Britney Spears-Referenzen. Bist du Fan? Und sie steht mit #Free-Britney momentan wieder sehr im Mittelpunkt, war das eine Anspielung darauf?
Das ist so crazy. Ich habe das Album letztes Jahr geschrieben und jetzt zur Veröffentlichung wird das Thema so hochgebracht. Jetzt werden bestimmt alle denken, ich bin mit auf den Zug gesprungen, which I don’t mind. Why not. Ich habe Britney erwähnt, weil „Big Boy“ für mein neunjähriges Ich geschrieben ist, die einfach ein Badass war. Ich habe mich immer mit Jungs geprügelt, war voll das Tomboy und wurde immer dafür geshamed. Ich war als Kind so wütend, also zurecht, weil da einfach so viele Dinge passiert sind, die einfach nicht okay waren. Wenn man mich schlagen wollte, habe ich halt zurückgeschlagen. Ich war so: Come on, let’s do this. Da war ich in Sambia im Internat und wir waren halt voll auf diesem Britney-Hipe. Like „I’m not a girl, not yet a woman“. Es war so dieses kleine kindliche Universum, in der Zeit im Internat. Sie war so: I am carefree and the perfect girl. Auch wenn ich mich so krass geschämt habe für das, was Leute versucht haben aus meinem Charakter zu machen, war ich dadurch trotzdem so: I don’t care, wer mir krumm kommt, dem komm ich auch krumm und das fand ich irgendwie so badass, ich habe nicht weiter darüber nachgedacht und hab einfach mein Dinge gemacht. Und jetzt denke ich: „I’m not a girl, I am a big boy“. Wenn ich Britney wäre, dann wäre ich so. Also, mein Paralleluniversum irgendwie. Meine Version von being a carefree girl, would be being a “big boy”, I guess. Like I was! Deswegen war diese Britney-Referenz da so stark, weil sie diese Zeit einfach enorm geprägt hat. Und ich würde mich nicht mehr so als Fan betrachten, von der Musik, die sie jetzt so macht. Aber man kennt einfach diese Bands, die die Kindheit so geprägt haben wie die Vengaboys zum Beispiel. Die werde ich immer feiern, auch wenn die jetzt nicht mehr meinem Musikgeschmack entsprechen. Aber it’s like: Don’t talk shit about Vengaboys! Die sind meine Helden. Und so ein Gefühl habe ich bei Britney. Die ist so eine Kindheitsfee, Kindheitsfigur, die mir immer erhalten bleiben wird, forever! #FreeBritney ! You mess with Britney; you mess with me!
Abschließend fände ich für unsere Leser:innen interessant: Aus deiner heutigen Perspektive, und mit deinen Erfahrungen, was würdest du deinem jüngeren Künstlerinnen-Ich mitgeben? Ich würde ihr sagen: Girl, du bist badass und alles was du brauchst ist schon in dir. Lass dich auf keinen Fall verunsichern von Trends, von Leuten, die deine Musik oder deine Stimme in irgendein Genre packen wollen. Du denkst jetzt, du hast keine Ahnung, aber du sollst wissen, dass alles was die 28-jährige Kaleo Sansaa machen wird, auf dir beruht. Du bist die Ressource, alles was in dir steckt. Alles was ich schreibe ist aus der Retrospektive geschrieben oder kommt aus einer Energie, die schon da ist. Wenn ich nicht mit acht in der Sonne meditiert hätte und mir Sonnenstiche geholt hätte, wenn ich nicht nach Deutschland in diese depressive Phase gekommen wäre, hätte ich niemals den Sound gemacht, den ich jetzt mache, ohne dass dieses Girl, diese achtjährige, einfach schon dieses Wesen war. Dadurch das du bist wie du bist und das tust was du tust, gibst du mir soviel Ressource, soviel Daseinsberechtigung. Du bist schon eine Künstlerin. Just keep going! Don’t change, keep going! Und hör auf dein Herz und deine Intuition. Das ist deine größte Stärke. Ja, das würde ich sagen.
Das Interview wurde geführt von Nastasja Kowalewski und Lilith Sievers.
Titelbildbild: © catchinggold
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