Männer vs. Frauen im Gaming: Welche Unterschiede gibt es?

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Noch vor ein paar Jahren hätte so mancher Gamer beim Stichwort „Frauen und Gaming“ die Stirn gerunzelt und das nächste LAN-Party-Lineup durchgezählt und das rein männlich versteht sich. Doch diese Zeiten sind vorbei, weil heute Frauen in der Gaming-Welt kräftig mitmischen und das nicht nur auf dem Smartphone im Wartezimmer.

Trotzdem lohnt sich ein genauer Blick auf die Unterschiede. Wie unterschiedlich ticken Männer und Frauen beim Zocken? Wo verschwimmen die Grenzen und an welchen Stellen prallen sie frontal aufeinander?

Wie oft wird gespielt und was steht dabei auf dem Bildschirm?

Die Vorstellung, Controller und Tastatur lägen fest in männlicher Hand, hält sich hartnäckig, entspricht aber längst nicht mehr der Realität. Die Zahlen zeichnen ein nahezu ausgeglichenes Bild, denn etwa die Hälfte der Spielenden ist weiblich. Der Mythos vom nerdigen Einzelgänger mit Headset und Energydrink bekommt damit erste Risse. Besonders im Mobile-Bereich sind Frauen sogar leicht in der Überzahl.

Entscheidend ist vor allem das Genre, denn während Männer bevorzugt durch Ego-Shooter, Action-RPGs oder Strategiespiele jagen, zieht es Frauen eher in narrative Spielwelten, in denen Emotionen, soziale Dynamiken oder kreatives Gestalten im Mittelpunkt stehen. Aufbauspiele, Simulationen und Puzzle-Games wirken auf den ersten Blick harmlos, haben es aber spielerisch oft in sich. Auch die Wahl der Plattform ist unterschiedlich geprägt. Männer greifen häufiger zu Konsole oder PC, Frauen zocken hingegen öfter auf dem Smartphone. Nicht weil das Interesse fehlt, aber vielleicht, weil sich Gewohnheiten, Erreichbarkeit und Alltagssituationen unterscheiden. Zwischen Kaffeepause und Bahnsteig bietet das Handy eben klare Vorteile.

Geld im Spiel und wie unterschiedlich damit umgegangen wird

Sobald es ums Bezahlen geht, zeigen sich deutliche Unterschiede, denn Männer investieren häufiger Geld in kompetitive Vorteile. Ein stärkeres Schwert, ein exklusiver Skin oder schnellere Fortschritte stehen oft ganz oben auf der Wunschliste. Pay2Win ist auch kein Tabu, wenn der Rang stimmt.

Frauen kaufen ebenfalls ein, jedoch meist mit anderer Motivation. Kosmetische Upgrades, Komfortfunktionen oder individuelle Gestaltungselemente sind gefragt. Der Look soll stimmen, das Spielgefühl angenehm sein. Gleichzeitig wird seltener impulsiv gekauft. Entscheidungen fallen überlegter, bewusster, kalkulierter.

Bei Glücksspielmechaniken wie Lootboxen oder Spielen wie Book of Ra reagieren Männer besonders sensibel auf das Belohnungssystem. Der Moment des Öffnens, die Hoffnung auf den seltenen Fund, das Risiko und das triggert, was im echten Leben vielleicht der Spielautomat wäre. Frauen hingegen zeigen sich distanzierter, wägen eher ab, ob der Einsatz den möglichen Ertrag rechtfertigt.

Unterschiedliches Spielverhalten trotz gleichem Spiel

Zwar spielen Männer und Frauen oft dieselben Titel, doch innerhalb dieser Welten wird unterschiedlich agiert. Männer suchen eher den Wettkampf, arbeiten sich durch Ranglisten und feilen an ihrer Performance. Frauen hingegen richten ihren Fokus stärker auf das gemeinsame Erlebnis. Es geht ums Bauen, Plaudern, Erkunden und nicht zwingend um das Ziel.

Auch die Zeitgestaltung sieht verschieden aus, denn Männer versinken oft stundenlang im Spiel, geben sich ganz der Welt hin, in die sie eingetaucht sind. Frauen hingegen verteilen ihre Sessions über den Tag, nutzen kurze Momente, um sich auszuklinken. Eine halbe Stunde Entspannung zwischen zwei Terminen reicht oft schon aus.

Der Zugang zur Technik spielt ebenfalls eine Rolle, weil Männer dazu neigen, das Spielsystem zu analysieren, nach optimalen Strategien zu suchen und Zahlen und Mechaniken zu diskutieren. Frauen legen häufiger Wert auf Atmosphäre, Ästhetik und emotionale Verbindungen zu Charakteren. Es geht weniger um das „Wie gewinne ich“, sondern vielmehr um das „Wie fühlt sich das an“.

Männliche Helden und weibliche Klischees – eine Frage der Darstellung

Die visuelle Inszenierung in Games erzählt ihre ganz eigene Geschichte. Männliche Figuren treten oft muskulös, entschlossen und zentral in Erscheinung und weibliche Charaktere hingegen erscheinen häufig wie aus einem Modekatalog gefallen. Knapp bekleidet, auffällig geformt und in Rollen gedrängt, die mehr Zierde als Substanz bieten.

Typische Rollenmuster halten sich hartnäckig. Der männliche Held rettet, kämpft, entscheidet und die weibliche Figur steht ihm zur Seite, motiviert ihn emotional oder wartet passiv auf Rettung. Es gibt Gegenbeispiele, die zum Glück zunehmen. Lara Croft ist längst keine pixelige Projektion männlicher Fantasien mehr, sondern eine glaubwürdige Abenteurerin. In Titeln wie „The Last of Us“ oder „Horizon Zero Dawn“ stehen Frauen im Mittelpunkt und das mit Ecken, Kanten und eigener Agenda.

Dennoch bleibt vieles beim Alten, denn selbst wenn weibliche Charaktere stark geschrieben sind, richtet sich die Kameraführung oft auffällig auf Körpermerkmale statt Handlungskompetenz und auch männliche Figuren bewegen sich nicht immer fernab vom Klischee. Der unerschütterliche Muskelprotz dominiert weiterhin viele Spielecover, obwohl differenziertere Männerrollen langsam an Boden gewinnen.

Statistik trifft Realität

Zahlen lassen sich leicht auswerten, aber schwieriger wird es, wenn es um Atmosphäre geht. Viele Frauen stoßen in Gaming-Communitys auf Ablehnung, werden belächelt, beleidigt oder ignoriert. Wer in einem Shooter einmal den Voice-Chat aktiviert, riskiert nicht selten eine Flut an Sprüchen, die mit Fairness wenig zu tun haben.

Die Reaktion darauf ist Rückzug und viele weibliche Spielende tarnen sich, verschweigen ihr Geschlecht oder wechseln gezielt in geschützte Räume. Nicht aus Unsicherheit, sondern aus Erfahrung, denn wer sich ständig rechtfertigen muss, verliert irgendwann die Lust.

Auch außerhalb des Spiels setzt sich das Muster fort. Die Spieleentwicklung ist eine Männerdomäne, in der Frauen kaum Führungsrollen einnehmen. Im E-Sport ist es ähnlich, dabei fehlt es nicht an Können, sondern an Plattformen, Unterstützung und Sichtbarkeit.

Ein weiterer Faktor ist das sogenannte Gatekeeping. Innerhalb männlich dominierter Communities gilt oft das unausgesprochene Gesetz, dass Gaming eine ernste Sache sei und neue Stimmen sich erst beweisen müssen. Das Resultat ist eine Schwelle, um ernst genommen zu werden und diese liegt für Frauen deutlich höher.

Ein langsamer Wandel bahnt sich an

Trotz aller Hürden bewegt sich etwas und Entwicklerstudios setzen zunehmend auf vielfältige Charaktere und inklusive Geschichten. Spielerinnen, Streamerinnen und E-Sportlerinnen gewinnen an Präsenz und Plattformen wie Twitch zeigen, wie weibliche Persönlichkeiten eigene Communitys aufbauen und prägen können.

Gleichzeitig wächst eine Generation heran, die mit anderen Selbstverständlichkeiten aufwächst. Mädchen spielen mit genauso viel Begeisterung wie Jungen, diskutieren Builds in Foren, kommentieren Livestreams oder entwerfen eigene Games. Die kommende Gesellschaft macht keinen Unterschied und das verändert langfristig die gesamte Szene.

Auch medial rückt das Thema stärker in den Fokus und Debatten über Sexismus, toxisches Verhalten und Diversität sorgen für Aufmerksamkeit und Druck auf die Branche. Manche Studios reagieren mit Mentoring-Programmen, andere überdenken Rollenbilder und stellen Diversität offensiv ins Zentrum. Der Weg ist lang, der Wandel nicht immer geradlinig, doch mit jeder Figur, die anders gezeichnet ist, mit jeder Frau auf einem E-Sport-Podium und jeder Spielerin, die sich sichtbar macht, verschiebt sich etwas. Der Controller ist längst kein Symbol männlicher Dominanz mehr, er ist ein Instrument für alle, die Geschichten erleben, Welten erkunden oder einfach nur Spaß haben wollen, ganz unabhängig davon, wer ihn gerade in der Hand hält.

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